Cosmopolis, Bavaria

Im Kino gewesen, Cronenberg geguckt. COSMOPOLIS: Letztlich ein Thesenfilm, der einen mit allerhand Metaphorik über die Abgründe der postkapitalistischen Gesellschaft belehrt. Spektakulär die Strech-Limousine, die raumschiffgleich durch die Straßen des apokalyptischen New York gleitet. Eine Reise ins Reich der Kindheit, als es noch eine Heimat beim Friseur nebenan gab. Oder auch ziemlicher Erbauungskitsch von einer besseren, emotionalen Welt inmitten der bösen, kalten Finanzwelt.

Die echten Abgründe tun sich auf im Trailer, der vor COSMOPOLIS lief: BAVARIA. Ein  Bayern-Film, der aus Hubschrauberperspektive „eine Traumreise“ unternimmt. Ist das wirklich wahr? Oder ist das doch nur ein wahnsinnig geschickter Werbestreifen für M-Strom, Hallo München, die tz oder die Abendzeitung? Illustration der CSU-Botschaft „Laptop und Lederhosen“: Der Film blättert durch die Hochglanz-Ansichten von Fernsehturm, Monopteros, Zugspitze, Seppelhüten, BMW-Roboter, Originale und Urgesteine. Haindling hat die Musik geliefert, passender wäre die Bayernhymne gewesen. Der Trailer hat mir gelangt, das Grauen hat jetzt einen Namen.

Dunja Bialas

Kino Komfort

20120718-134029.jpg

Dies hier ist tatsächlich unser Münchner Werkstattkino und nicht das Frankfurter Filmmuseum! Neue Lieblingsreihe ist die vierte, mit perfektem Abstand zur Leinwand (pssst: es gibt gar keine) und maximaler Beinfreiheit. Weiche Sessel, aber nicht zu weich, Komfortkopfstützen, Raumfahrer-Piloten-Feeling! Come in and find out!

Eine kurze Einstellung: THE RAID

The Raid

Ein echter Actionfilm ist wie ein gutes Musical: Es geht um die Nummern. Die Kunst des Drehbuchs besteht darin, ihrer Abfolge Motivation, Struktur, Rhythmus zu verleihen. Sie besteht in der originellen Kombination und Variation von Vertrautem und Überraschendem.
Die Attraktion ist der menschliche Körper – außergewöhnliche Körperbeherrschung und kreative Zerstörung.

THE RAID geht so: Eine Spezialeinheit der indonesischen Polizei. Ein Hochhaus voller Bösewichter. Und dann Level um Level, Etage um Etage nach oben.
Immer wieder zuckt man bei THE RAID freudig mit einem „Heilige Scheiße!“ zusammen: Es gibt noch immer neue Methoden, auf der Leinwand Menschen um Leib und Leben zu bringen! Man glaubt ja gar nicht, was man mit Kühlschränken, Neonröhren und Türschwellen alles anstellen kann…

Ob Feuergefecht oder Martial Arts-POW! de deux Mann gegen Mann: THE RAID ist ein ECHTER Actionfilm. Wohltuend handgreiflich. Und, mit Verlaub: Einfach geil.
Yippie ki-yay, bajingan!

Anna Edelmann & Thomas Willmann

Filmtipps für den Festivalendspurt

NEIGHBOURING SOUNDS

Hundegebell, eine durchgedrehte Schwester, ein gelangweilter Immobilienmakler, eine Scurity-Geschaeftsidee: dies sind nur ein paar Ingredentien in Kleber Mendonça Filhos wahnwitzigem Ensemblefilm ueber die Unertraglichkeit, Nachbarn zu haben. Nonchalant begegnet der Film dem ganz alltaglichen Ennui, gepaart aus Langeweile und Aerger, in dem buergerlichen Wohnviertel von Recife.

Do., 05.07., 19:45 Uhr, CinemaxX 1

DIE BRÜCKE AM IBAR

Dichtes Historienmelodram über den Balkankonflikt Ende des 20. Jahrhunderts, das nicht nur Standard für den Geschichtesunterricht werden sollte. Einmal mehr gelingt hier dem Film, was tagesaktuelle Nachrichten und historische Erörterungen nur allzu selten vermögen: dem Krieg ein Gesicht zu geben. Starke schauspielerische Leistungen und ein ausgefeilter Plot, der das Melodram um eine alleinerziehende Mutter zweier Söhne, die zwischen die Fronten von Serben und Albanern gerät, nie überstrapaziert.

Fr., 06.07, 19:30 Uhr, HFF AudimaxX

WUTHERING HEIGHTS

In der Verfilmung des Romans „Sturmhöhe“ durch Andrea Arnold verschwindet das Licht im Dunkel, werden die Protagonisten in Regen, Schlamm und die Schönheit der sanften Hügel der schottischen Landschaft getaucht. Arnold besetzt in der Geschichte von der Bauernfamilie den Adoptivsohn durch einen Schwarzen, was den Konflikt noch deutlicher macht, die Bilder ganz und gar motiviert ins Schwarze hineingleiten. Atemberaubend, liebesverzweifelt.

Fr., 06.07, 19:00 Uhr, Rio 1
Sa., 07.07., 22:00 Uhr, Cinemaxx 1

DIE BESUCHER

Unbedingt sehenswerte Familiendystopie mit zarten Hoffnungselementen. Nicht nur wird auf Mikroebene seziert, wie sich  hierarchische Eltern-Kinder-Verhältnisse im Laufe der Zeit ins Gegenteil verkehren und von Entfremdungstendenzen zersetzt werden; Constanze Knoche versteht auch die Makroebene in den Film zu integrieren – den unglücklichen Tanz der deutschen Gesellschaft mit der globalen Wirtschaft, der  bis ins letzte Geäst eines Familienbaums zu spüren ist. Wir sind nicht, was wir sein wollen; wir sind das, was uns die wirtschaftlichen Umstände gestatten zu sein. Ein weiterer Glücksfall in der Festivalreihe Neues Deutsches Kino.

Sa., 07.07., 17:00 Uhr, CinemaxX 5

EL GUSTO

Ein Feelgood Movie ueber die Wiedervereinigung einer Band: Buona Social Vista Club goes Algeria! Juedische und muslimische Musiker starten 50 Jahre nach Ende des Algerienkriegs noch einmal mit ihrer Gute-Laune-Musik durch. Sie erinnern sich an das friedliche Miteinander, die coolen Cafes und die Aufbruchstimmung in Algier am Vorabend der Unabhaengigkeit. Ganz und gar mitreissend!

Sa., 07.07., 17:30 Uhr, HFF Kino 1

Staub auf unseren Herzen, Glück in unseren Augen

Staub auf unseren Herzen

Es gibt sie noch: Karten für diesen wunderbaren Film, für die heutige 17.00 Uhr Vorstellung von STAUB AUF UNSEREN HERZEN . Ohne Fördernmittel, ohne wirkliches Drehbuch, stattdessen auf das Treatment  basierte Drehtage, all das mit  zwei Fotokameras, ein dämliches Clowns-Plakat, vage Dogma-Politik. Hätte ich das vorher gewusst, ich wäre nicht reingegangen.  Aber das Ergebnis überraschend: großes, ganz großes Glück. Erinnerungen an den frühen Wenders (Alice in den Städten, aber ohne die Roadmovie-Komponente), Erinnerungen an Kino, wie ich mir oft Kino wünsche, vor allem den deutschen Film. Ohne die fast zwanghafte Bewegung zur Komödie (gerade erst exemplarisch frisch und schmerzvoll neu aufgelegt in 3 ZIMMER/ KÜCHE/ BAD), liegt doch im Ernst des Lebens, wenn man denn zu ihm steht, schon genug Groteske. Und ein Ensemble – vom Erwachsenen bis zum Kind – das es schon allein wert ist, diesen Film zu sehen. So wirklich (und scheiß auf authentisch)  habe ich selten eine Geschichte gespürt, erfahren – so intensiv wie ein halbes Jahr Gesprächtherapie, ein Wochenende Familienstellen. Und die (Foto-) Kamerführung? Dicht, nah, präzise, auch das: ein Glücksfall. Und dann ist da natürlich nicht zuletzt die Musik und Berlin und eine Geschichte, von der ich gar nicht erst erzählen will, weil die Erwartungshaltungen sonst einfach zu groß werden, selbst für diesen ganz und gar großen Film.

Axel Timo Purr

Ich mach den Abflug

Jetzt ist der Lack endgültig ab. Ich sitze in der S-Bahn zum Flughafen und verlasse München. Flugartig sozusagen. Auf mich wartet ein anderes, ein kleineres Festival, in Marseille. Wo die Stars noch die Filme sind, wie man so schön sagt, wenn man keine Stars vorzuweisen hat und auch keinen roten Teppich, über den gegebenenfalls auch die Nichtstars laufen könnten. Dabei hatte ich mich gerade an den Almauftrieb beim Filmfest gewöhnt. Anders als viele Münchner, die sich gestern gar nicht zufrieden geäußert haben, als ihnen ein mehr als schmuckloses, rot-weißes Plastik-Absperrband den Weg zum Gasteig verbarrikadierte. Macht den Weg frei für die Limousinen!, hieß es glamourmäßig. Ich finde es absolut okay, wenn die Stars in ihren Limos direkt bis zum Teppich vorfahren. Schließlich haben die Temperaturen nachgelassen und trotzdem erwarten wir von den Diven größtmöglichen Hauteinsatz. Aber den Münchnern, den kann man halt rein gar nichts recht machen. Sch… sei das, höre ich gar nicht glamourmäßig beim Vorübergehen, und: das sei doch jetzt aber! Die Münchner mögen es nun mal gar nicht leiden, wenn man ihnen die Show stiehlt. Denn immer noch gilt, da kann das Filmfest behaupten, was es will: die größten Stars in München, das sind immer noch die Münchner selbst. Bussi, Bussi!

Ciao, ciao, sage ich demgemäß jetzt auch zum Filmfest. Am letzten Tag habe ich noch einen mühelosen Endspurt hingelegt. NEIGHBOURING SOUNDS, einen unterhaltsamen Brasilianer, musste ich leider vorzeitig verlassen, weil im Saal nebenan schon WUTHERING HEIGHTS von Andrea Arnold anfing. Saalswitching, für einen Profi wie mich kein Problem. Das Ende vom Brasilianer habe ich mir dann mitternachts von einem dahergelaufenen Bekannten erzählen lassen, der allerdings den Film nicht mochte. Alles fade sich aus, sagte er mir, die Erzählstränge verlören sich. Ich glaube ihm. Gerne würde ich das auch über den Arnold-Film sagen können, dass er sich ausfadet. Wunderschön war der erste Teil, atemberaubend verlor sich das Licht im Schatten, unempfindlich die Figuren gegenüber dem Regen, der auf sie einprasselte –

Ausgerechnet jetzt, wo ich endlich bei den Filmen angekommen bin, heißt es: Es ist Boarding-Time! Kurz sei noch erwähnt, dass ich dann noch einen sehr esoterischen, überambitionierten Brasilianer gesehen habe, SOUTHWEST, und zum Abschluss noch TAHRIR LIBERATION SQUARE, ganz groß, ganz dicht.
Ich mach den Abflug.

Dunja Bialas

Holla, die Waldfee!

Der Filmfest-Trailer und die „Five Stages of Grief“

1. Denial

Die erste Sichtung bei der Pressekonferenz:
Wir waren grad in die eben ausgeteilte Programmübersicht vertieft. Haben nicht richtig hingeschaut. Das war jetzt keine blumenbekränzte Libellenfee im Chiffon-Nachthemdchen, die aus einem Waldsee aufsteigt und aus ihrem Nabel einen wabbeligen Wasserknödel gebiert, oder? In dem dann das Filmfest-Logo erscheint, weil… Weil… WEIL HALT!

Nein, nein, Sinnestäuschung! Die Kollegen schütteln auch alle ihren Kopf.

2. Anger

Der Clip ist auf YouTube:


Waldsee. Check.
Wasserfee. Check.
Waberwasserknödel. Check!

Das ist deren verdammter Ernst.
Das sollen wir uns vor jedem Film des Festivals anschauen.
Visuelles Waterboarding!
Wartet nur! Bis die dauernde Zwangs-Sichtung des triefenden Trailers das Faß zum Überlaufen bringt…

3. Bargaining

Zum ersten Mal auf großer Leinwand:
Es wird nicht besser.
Aber größer.
Und unausweichlicher.

Aber vielleicht kann man das Festival überreden, ihn nur vor 3-D Filmen zu zeigen? In 3-D. Wo er ja viel besser zur Geltung käme.
Oder ihn wenigstens wieder mit der vertrauten Trailer-Musik der letzten Jahre unterlegen? (Die, zu der wir immer „The Bad Touch“ von der Bloodhound Gang gesungen haben.)
Oder, okay: Ihr hört auf, ihn zu zeigen – wir hören auf, über Trailer zu reden und besprechen brav endlich Filme. (Ähem)

4. Depression

Heute ist Montag, das Filmfest dauert noch bis Samstag:
Inzwischen haben wir den Trailer rund ein Dutzend Mal gesehen.
Jetzt noch fünf weitere Tage.
Mal rechnen. Das macht noch ungefähr 25 Mal.
Fünfundzwanzig Mal.

Kann man auf nachlassende Sehstärke im Laufe des Festivals hoffen?

5. Acceptance

Dienstag.

Man muss bedenken: Das Filmfest musste für den Trailer nichts bezahlen. Vermutlich hatte halt die verantwortliche Firma noch dieses Rendering-Demo rumliegen, an das man ein Logo ankleben konnte.
Und langsam empfinden wir es als sportliche Herausforderung, die Ersten zu sein, die im Trailer das verborgene Missing Link zum Filmfest entdecken:
Ist es die BDM-Frisur, die eine Hommage an das Werk Leni Riefenstahls darstellt?
Ist es die Kreuzigungsstellung der Füße, die auf „The Last Temptation of Christ“ verweist?
Wird hier schon insgeheim der Festivalfilm „Die Libelle und das Nashorn“ beworben? Aber wo ist dann das Nashorn…?

Hey, könnten wir bitte den Trailer nochmal sehen?!

Anna Edelmann & Thomas Willmann

Vier zu Null für Spanien

EM-Finale. Ich bin für die Italiener, obwohl ich weiß, dass die Spanier die besseren sind. Damit mache ich mir aber keine Freunde. Ich werde belehrt darüber, dass Spaniens Fußball ganz viel mit Kommunismus zu tun hat, Italien dagegen dem Starprinzip folgt. Ich halte dagegen, dass sich die italienische Mannschaft seit ihrem letzten Auftritt auf einem internationalen Turnier verändert hat, dass auch sie kreativen Fußball spielt. Außerdem: Was ist schon gegen Stars einzuwenden? Pirlo und Buffon, vor ihrer Zeit gealtert und mit einem verlebten Charisma versehen, sind wahrhafte Leinwandhelden: Cool, abgehoben, und sie wissen (nicht), was sie tun. Beim Public Viewing setze ich mich wie sonst auch im Kino so, dass mir niemand den Blick versperren kann, also ganz nach vorne. Ich lasse nichts zwischen mich und die Leinwand. Um halb elf fängt mein Abendfilm an, hoffentlich gibt es keine Verlängerung, auch kein Elfmeterschießen. Und hoffentlich wird das Spiel interessant. Es gibt nichts schlimmeres als 90 Minuten vertane Zeit. 90 Minuten sind ja auch die Standardspielfilmlänge. 90 Minuten eignen sich perfekt für eine Dramaturgie mit Anfang, Höhepunkt und Schluss. Spannend wird es, wenn es nicht nur zur Halbzeit einen Cliffhanger gibt, sondern wenn sich überhaupt spannende Drehmomente während des Spiels ereignen. Nach dem 2:0 für Spanien wünsche ich mir, dass noch ein Tor fällt, von mir aus von den Spaniern, da ist noch was drin, sage ich mir. Während ich nervös auf meinen lackierten Fingernägeln knabbere, stelle ich fest, dass ein Fußballspiel die ideale Schule des Sehens ist. Aktiv muss man sehen, will man überhaupt was vom Spiel verstehen. Und wenn wir uns vorstellen, dass der Fußball der passive Volksport überhaupt ist, dann verstehe ich eines nicht: Warum das dann für die meisten Leute im Kino nicht möglich drin ist, das mit dem aktiven Gucken. Die Filme mit dem größten Erfolg sind immer noch die, in denen der Zuschauer nichts dazutun muss (oder auch kann), um an den Film ranzukommen. Es sind Filme, in denen er sich einfach einlullen lässt, in der die Handlung bis ins Detail expliziert wird. Filme, die sich dem Zuschauer entgegenschmeißen wie ein Werbeclip, meist im Dienste von höheren, allgemeinen und vermeintlich wahren Werten.

Ich merke, wie am dritten Tag des Filmfests mein korallenfarbener Nagellack abzublättern beginnt. Und ich langsam unruhig werde im Universum, wo Filme und ins Kino gehen zu einem gewissen Lifestyle gehören. Lifestyle: Insein, Schicksein, Dabeisein. Egal ob bei Party, Empfang oder After Hour. Kaum einer hat dabei Lust sich anzustrengen wie bei einem Fußballspiel. Im Kino sitzen, den Film verfolgen, aktiv, mit analytischem Sehen, momentanen Bewertungen, Kombinationen, Interpretationen und finalen Meinungen zu schauspielerischen und dramaturgischen Qualitäten. Das war ein guter Film! wird gerne gerufen, wenn konsensfähige Themen in häppchenhafter Manier wie beim Empfang die Canapées dargeboten werden, der Plot sich süffig anlässt wie das dazugehörige Glas Prosecco. Was für ein schöner Film!, rufen dagegen diejenigen, die sich durch einen Film hindurchgearbeitet haben, die partizipierten an der Entstehung, im Kopfe des Betrachters.

Da fällt das 3:0 für Spanien, wenig später steht es 4:0, Endstand. Das Match war ein echtes Bravourstück. Alles, was ein Spiel braucht. Jetzt gehe ich ins Kino.

Dunja Bialas

Im kühlen Kino, dem dunklen

Endlich im Kino. Ich sitze im roten Kino der HFF und staune nicht schlecht. Weiche, aber nicht zu weiche Sitze, die Rückenlehnen fahren automatisch in eine bequeme Sichtungsposition. Entspannt lehne ich mich zurück, warte auf den Film. Vor mir ein üppiges Blumengebinde, das sich farblich perfekt dem Interiour Design anpasst. Eine feierliche Stimmung macht sich breit, vielleicht ein wenig zu feierlich. Um mich herum flüstern die Besucher. Ist jemand gestorben? Irgendwie erscheint mir mein plötzlicher Gedanke ganz und gar naheliegend. Schließlich sitzen wir in der HFF wie im Inneren eines Sarkophags, ausgestattet mit einer Sonnentreppe, die direkt in das ägyptische Jenseits zu führen scheint. Der Tod ist hier nur die abgewandte Seite des Lebens. Und ist einen Film sehen nicht auch ein bisschen wie dem Tod bei der Arbeit zusehen? Roland Barthes hat das so ähnlich über die Fotografie gesagt. In jedem Foto sei das unabweisbare Zeichen des Todes enthalten, der in der Zukunft eintreten wird. Unabweisbar! Zum Glück fängt jetzt der Film an, hoffentlich ein Feelgood-Movie.

Dunja Bialas

In der Glitzer-Glamour-Welt

Den ganzen Tag am Pool verbracht. Dabei über dies und das nachgedacht. Zum Beispiel über die Hitze, die sich über die Stadt gelegt hat. Und ob das jetzt gut oder schlecht fürs Filmfest ist. Während ich ins kühle Nass köpfe, erinnere ich mich an einen ebenso heißen Nachmittag, als mein Vater uns Kinder mit ins Kino im Olympiadorf nahm, um dort mit uns Truffauts FAHRENHEIT 451 zu sehen. Heiße Hitze, kühles Kino: Seitdem ist das eine zwingende Einheit für mich. Wie das wohl für andere ist? Auf jeden Fall muss die Hitze nicht schlecht sein für’s Filmfest. Besser vermutlich als ein schöner Maientag. Und ich, was mache ich überhaupt hier, im Wasser?

Ich beschließe, das Bad zu verlassen. Lieber im kühlen Kino sein, dem dunklen! Mein Weg führt mich über den Gasteig. Während meines Tages auf der Liegewiese hatte ich in den diversen Münchner Tageszeitung darüber gelesen, wie wichtig dieser Glamour ist, den die eingeflogenen Stars jetzt über München ausstrahlen. München leuchtet, nein, glitzert! Das will ich unbedingt sehen.

Am Gasteig aber ist alles wie immer. Also, nicht wie immer sonst, sondern wie immer zur Filmfestzeit. Roter Teppich im Eingangsbereich, dazu ausreichend Spotlight. Dann aber: Fotografen stürmen den Teppich, reihen sich auf zur Phalanx, ihre schweren Gerätschaften zückend. Iris Berben! Die Festivalleiterin kommt souverän auf sie zu, gibt ihr die Hand, lächelt mit ihr in die Kameras. Wenn sie nicht so groß wäre (und Schauspieler im allgemeinen sehr klein), könnte man anerkennend sagen: Diana Iljine befindet sich ganz und gar auf Augenhöhe mit den Stars. So aber schwebt sie auf ihren Plateauschuhen über den roten Teppich wie eine Außerirdische. Ich bin beeindruckt.

Dunja Bialas