Jetzt ist der Lack endgültig ab. Ich sitze in der S-Bahn zum Flughafen und verlasse München. Flugartig sozusagen. Auf mich wartet ein anderes, ein kleineres Festival, in Marseille. Wo die Stars noch die Filme sind, wie man so schön sagt, wenn man keine Stars vorzuweisen hat und auch keinen roten Teppich, über den gegebenenfalls auch die Nichtstars laufen könnten. Dabei hatte ich mich gerade an den Almauftrieb beim Filmfest gewöhnt. Anders als viele Münchner, die sich gestern gar nicht zufrieden geäußert haben, als ihnen ein mehr als schmuckloses, rot-weißes Plastik-Absperrband den Weg zum Gasteig verbarrikadierte. Macht den Weg frei für die Limousinen!, hieß es glamourmäßig. Ich finde es absolut okay, wenn die Stars in ihren Limos direkt bis zum Teppich vorfahren. Schließlich haben die Temperaturen nachgelassen und trotzdem erwarten wir von den Diven größtmöglichen Hauteinsatz. Aber den Münchnern, den kann man halt rein gar nichts recht machen. Sch… sei das, höre ich gar nicht glamourmäßig beim Vorübergehen, und: das sei doch jetzt aber! Die Münchner mögen es nun mal gar nicht leiden, wenn man ihnen die Show stiehlt. Denn immer noch gilt, da kann das Filmfest behaupten, was es will: die größten Stars in München, das sind immer noch die Münchner selbst. Bussi, Bussi!
Ciao, ciao, sage ich demgemäß jetzt auch zum Filmfest. Am letzten Tag habe ich noch einen mühelosen Endspurt hingelegt. NEIGHBOURING SOUNDS, einen unterhaltsamen Brasilianer, musste ich leider vorzeitig verlassen, weil im Saal nebenan schon WUTHERING HEIGHTS von Andrea Arnold anfing. Saalswitching, für einen Profi wie mich kein Problem. Das Ende vom Brasilianer habe ich mir dann mitternachts von einem dahergelaufenen Bekannten erzählen lassen, der allerdings den Film nicht mochte. Alles fade sich aus, sagte er mir, die Erzählstränge verlören sich. Ich glaube ihm. Gerne würde ich das auch über den Arnold-Film sagen können, dass er sich ausfadet. Wunderschön war der erste Teil, atemberaubend verlor sich das Licht im Schatten, unempfindlich die Figuren gegenüber dem Regen, der auf sie einprasselte –
Ausgerechnet jetzt, wo ich endlich bei den Filmen angekommen bin, heißt es: Es ist Boarding-Time! Kurz sei noch erwähnt, dass ich dann noch einen sehr esoterischen, überambitionierten Brasilianer gesehen habe, SOUTHWEST, und zum Abschluss noch TAHRIR LIBERATION SQUARE, ganz groß, ganz dicht.
Ich mach den Abflug.
Dunja Bialas