11 Uhr Vormittag, ein Dokumentarfilm über Boxerinnen und das Kino ist ausverkauft! „Tough Cookies“ von Ruth Kasserer begleitet 3 amerikanische Boxerinnen, kommentarlos, beim Training, beim Wettkampf, zu Hause oder auch bei Stunt Übungen. Die Regisseurin vermittelt dabei so viel Nähe zu ihren Figuren, dass man bei jedem Schlag mitleidet, bei jedem weiteren Situp die eigenen Muskeln aufheulen hört. Unaufdringlich, aber immer nah genug am Geschehen, saubere Bilder, obwohl Kasserer mit einer Mini DV Kamera gedreht hat, so beobachtet sie und analysiert und lässt den Zuschauer teilhaben; so einfach, so schön.
Ebenfalls einen vollen Saal hatte Agnès Godard für ihr Werkstattgespräch, nett, freundlich fast ein wenig schüchtern, sie wäre jetzt lieber hinter einer Kamera, meint sie; kein Wunder, schließlich spricht da eine der besten Kamerafrauen. An Hand von Ausschnitte aus Claire Denis‘ „Beau travail“ oder Ursula Meiers „Home“ hat sie einem, andächtig zuhörenden, Publikum zwei Stunden von ihrer Arbeit und Arbeitsweise erzählt, wie sie Nähe schafft, in dem sie die Kamera als Erweiterung von sich selbst empfindet, und wie dieses Arbeiten durch die Schwächen der Sucher bei den neuen digitalen Kameras extrem behindert wird. Auf die Frage, wie sie sich den idealen Regisseur vorstellt „überraschen soll er sie“ und „ in ein fremdes Land mitnehmen“ wobei sie das nicht geographisch meint.
Nach so viel Dokumentationen dann doch noch ein Spielfilm und eine Uraufführung, Peter Kerns neuer Film „ Sarah und Sarah“ . Wenn man in Österreich nach einem Regisseur sucht, der wirklich eigenwillige Filme macht, dann kommt man an Kern nicht vorbei. Immer wieder schafft er Geschichten, in denen gebrochene Figuren durch eine schräge, absurde Welt, genannt Realität, laufen, schützt und umgibt sie mit Zartheit und feuert dabei gleichzeitig eine Menge Dreistigkeiten auf den Zuschauer ab. Sarah, eine alte, demente Schauspielerin – hervorragend Traute Furthner – und Sarah, ein krebskranker, sterbender Waisen Junge, der sich Sarah nennt, bringt der Zufall zusammen. Die alte Sarah, die lässig bei einem Interview sagt „Hitler find ich gut“ , die sich zu Hause ein Hitler Bärtchen aufmalt und in deren Kloschüssel ein Kruzifix eingeklemmt ist, und der kleinen Sarah, der niemanden hat, der ihn beim Sterben begleitet; und plötzlich entsteht Wärme zwischen beiden, aber auch hier wäre es nicht Kern, wenn das eifach so kitschig von statten ginge, nein, die alte Frau ist die meiste Zeit des Films nackt und das Kind erdolcht fröhlich Störenfriede dieser Idylle. Wenn da nicht die Dauerbefeuerung mit Musik wäre, könnte man diesen Film wunderbar geniessen in seiner schwarzen, fiesen Warmherzigkeit.