Es ist wieder soweit, im österreichischen Graz versammeln sich die (ein)heimischen Filmschaffenden , sehen und gesehen werden, nicht nur der Filme.
Erstmals seit Jahren war zur Eröffnung der zuständige Minister für Kultur anwesend, ein Umstand, der vom Publikum begrüsst wurde, speziell nachdem die Fördersituation in Österreich sehr zu wünschen lässt.
Nicht nur Festivalleiterin Barbara Pichler betonte – wie auch schon im Vorjahr – dass ohne Unterstützung Kunst, also auch Filmkunst, nicht machbar ist, und damit nicht nur eine wirtschaftliche sondern auch eine kulturelle Verarmung droht. Dieser Mangel an Unterstützung ist umso verwunderlicher, da österreichische Filme in den letzten Jahren auch über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich sind. So erfolgreich, dass auch in diesem Jahr weniger Uraufführungen im Programm stehen, sondern die Filme „nur“ als Österreich Premiere laufen.
So auch der Eröffnungsfilm „Das grosse Museum“ von Johannes Holzhausen, der bei der Berlinale uraufgeführt wurde, wo er im übrigen auch einen Preis gewann. Ein schöner, spannender Dokumentarfilm über das Wiener Kunsthistorische Museum, der Blicke hinter die Ausstellungsräume gewährt und das Museum so in seiner Grösse erst richtig greifbar werden lässt. Einzig in den Passagen, in denen die Verwaltung bei Sitzungen und Besprechungen gezeigt wird, verliert der Film an Spannung.
Nach dieser fulminanten Eröffnung sind die ersten beiden Vorstellungen, jeweils Kurzdokumentarfilm, eine Enttäuschung. Sperrige Off-Texte, schwankend zwischen persönlich tagebuchartig und abstrakt-sachlich, dazu Bilder, die immer nur irgendwie passen, oder nur irgendwie nicht passen…nichts Halbes und nichts Ganzes, das ist auf unangenehmen Weise anstrengend.
„Lettre à Mohamed „ von Christine Moderbacher sticht aus diesem Haufen hervor. Die Regisseurin, die nach der tunesischen Revolution mehrmals ins Land gefahren ist, verfasst eine Art Brief an den titelgebenden Mohamed, der sein Land verlassen hat. Teils mit Super 8 Kamera, teils mit kleiner Videokamera, besucht sie Freunde und Bekannte, lässt diese vom Wechsel in Tunesien erzählen, und flicht immer wieder ihre eigenen Erinnerungen an das Land ein, in dem sie mehrere Jahre selber gelebt hat. Dadurch entsteht sowohl inhaltlich als auch formal ein kaleidoskopischer Blick, der mehr zeigt, als man aus den Fernsehnachrichten gewöhnt ist, der persönlich bleibt und Empathie beim Zuschauer erzeugt.
Eher unentschieden und dabei irgendwie eitel: der neue Film von Ruth Beckermann „Those who go those who stay“. Man möge sich einlassen auf das Hin- und Her wandern ihres Films rät die Regisseurin vor der Vorstellung der Katalog spricht von einem „sich Treibenlassen“, dennoch sind die Wege, die von einem Ort, von einem Menschen zum nächsten führen, oftmals nicht nachvollziehbar, und so folgt man als Zuschauer unbeteiligt Ruth Beckermann nach Paris, nach Italien, Alexandria, Jerusalem…und trifft hauptsächlich auf Beckermann im Gespräch mit Menschen, Gespräche, die leider auch oft belanglos sind. Belanglos wie Gespräche eben manchmal sind, aber das reicht für einen Film nicht ganz.
Am Abend dann endlich ein wahres Schmuckstück von einem Film! „Wo ich wohne… Ein Film für Ilse Aichinger“ von Christine Nagel. Frei nach Motiven eines Aichinger Textes webt der Film ein Portrait nicht nur der Dichterin sondern auch der Umstände, die Ilse Aichinger zu ihren Texten bewegt haben. Ruhige Spielsequenzen, in Schwarz-Weiss, wechseln sich mit Stadtansichten von Wien ab, Orte, die für die Dichterin von Bedeutung sind oder waren, unterlegt mit Interviews Text- und Briefpassagen. Texte und Bilder treten in Beziehung, unterstreichen und betonen sich wechselseitig, und führen so weiter in Raum und Zeit. Aichinger, deren Bestreben das Verschwinden ist, ist in dem Film präsent ohne jemals aufzutauchen. Sehr gut gespielt, toll gedreht, harmonisch geschnitten: sehr gelungener Film.
Zum Schluss noch ein Portrait einer straken Künstlerin, „Mara Mattuschka_Different Faces of an Anti-Diva“ von Elisabeth Klocker. Der Film ist eine Hommage an das „Gesamtkunstwerk Mattuschka“, die Regisseurin, Malerin, Performerin, Sängerin, die, ketterauchend, in freundlichem Plauderton, über sich und ihre Arbeit, ihre Gedanken erzählt, und das so voller Lust und Leben, dass man sich ungeduldig auf den nächsten ihrer Filme freut.