Die Jury Entscheidungen sind gefallen, 11 Uhr Pressekonferenz, Bekanntgabe der Gewinner. Zunächst die Jury der Leoparden von Morgen, mit einem zu Spässen aufgelegten Jurypräsidenten Rutger Hauer, gut gewählt hat sie diese Jury, mit einem guten Blick für vorhandenes Potenzial und Filmen deren Geschichten und Themen nahe gehen. Der Pardino d’oro international geht an: „Abandoned Goods“ von Pia Borg und Edward Lawrenson, filmisch vielleicht am schwächsten von allen Preisträgern, aber mit einem sehr interessanten und auch wichtigen Thema: der Kunst psychisch Kranker in einer Klinik in England zwischen 1946 und 1983, erschütternd wie zu dieser Zeit Psychiatrie Patienten behandelt, oder gehalten, wurden, beschämend wieviele dieser Werke einfach verschwunden sind, und gut, dass jetzt die gefundenen Kunstwerke katalogisiert und Ausgestellt werden. Pardino d’argento international für „Shipwreck“ von Morgan Knibbe (siehe Tag_2). Die Pardinos national gingen an „Totems“ – gold – Sarah Arnold (siehe Tag_ 2) und silber an Jean-Guillaume Sonnier für „Petite Homme“ der Geschichte einer Jockeyschule, Konkurrenzkampf und Loyalität in einem ziemlich befremdlichen Umfeld.
Die Preise der Cineasti del presente, also erster oder zweiter Langfilm, zeigen dass unkonventionelle Erzählformen und Geschichten abseits der ausgetretene Pfade ankommen das machen Mut diesen Weg weiter zu gehen und Kino weiter zu denken. Pardo d’oro für „Navajazo“ von Ricardo Silva (siehe Tag_6), Preis für den besten Nachwuchsregisseur an Simone Rapisarda „La creazione del significado“ (siehe Tag_3) und auch die lobende Erwähnung für „Un jeune poète“ von Damien Manivel (siehe Tag_ 4) geht sehr in Ordnung.
Der ganz gross Abräumer aus dem Concorso internationale – Pardo d’oro, Preis der internationalen Presse, Preis der Jugenjury und Preis Don Quichote – ist der 338 Minuten lange, für alle die nicht rechnen wollen, das sind 5 Stunden und achtunddreissig Minuten, „Mula Sa Kung Ano Ang Noon“ von Lav Diaz; leider nicht gesehen, von daher keine weiter Beschreibung möglich.
Der Publikumspreis der Piazza Grande ging, wie vermutet an „Schweizer Helden“ (sieheTag_7), die Schauspieler des Film, die alle im Publikum sassen, wurden auch gestern Abend mit grossem Applaus begrüsst; der Film kommt im Herbst in die Schweizer Kinos, ob es zu einer Auswertung auch für deutsche Kinos kommt wird sich zeigen müssen.
Die Zeremonie auf der Piazza am Abend zog ich dann etwas in die Länge, hatte aber durchaus komische Momente, was dem Charakter der diesjährigen, 67ten, Ausgabe des Festivals entsprach. Noch einmal betonte Marco Solari die Freiheit und Unabhängigkeit des Festivals und verabschiedet sich bis zum 5. August 2015.
Zum Abschluss wurde es noch mal laut, schnell und emotional auf der Piazza, Toni Gatlifs neuer Film „Geronimo“ ist ein Feuerwerk an Tempo und Musik. Die Sozialarbeiterin Geronimo , eine Kriegerin ohne Waffen, im ständigen Kampf gegen den immer grösser werden Hass zweier Gruppen am Stadtrand einer südfranzösischen Stadt. Sie renn, fleht, flucht, steckt ihre persönlichen Grenzen immer weiter zurück, um einen Bandenkrieg zu verhindern; ein Konflikt, der sich entzündet hat an einem „Romeo und Julia Thema“. Musik und Geräusche bilden eine beeindruckten akustische Kulisse, das sehr körperliche Spiel aller Darsteller, die bewegliche Kamera, rasende Schnitte, und eine starke Frauenfigur, eine Heldin, mit hohem Sympathiefaktor, ein Film, der die Piazza nochmal zum brodeln brachte. Carlo Chatrian hat in seinem zweiten Jahr die Erwartungen mehr als erfüllt, er ist sympathisch, freundlich, hat Humor und eine gute Hand in der Auswahl der Programme, denn selbst wenn man nicht jeden Film wirklich mag, findet sich trotzdem immer mindestens ein guter Grund, wieso dieser Film seine Platz im Festival verdient.
Alle Preise unter. http://www.pardolive.ch/en/Pardo-Live/today-at-the-festival