Tag_2 To be is to be connected

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Ums Vernetzen geht es ja gerne bei Festivals, alle sind da, alle reden freundlich miteinander, viel „man müsste mal wieder“, eine märchenhafte Harmonie in sanftem Frühlingslicht, und dann gibt es da noch die vielen Filme, politische, persönliche und märchenhafte; wie zum Beispiel „ Dreams rewired -Mobilisierung der Träume“ von Manu Luksch und Martin Reinhart. Ein dokumentarischer Traum durch die Geschichte der Kommunikationsmedien von den Anfängen der Technisierung bis…. – ja bis wo eigentlich? Unsere modernen Träume von totaler Erreichbarkeit, unendlicher Vernetzung, permanenter Überprüfbarkeit sind zwischen den Zeilen immer präsent, aber nie Gegenwärtig. Schön gebaut aus Archivaufnahmen gemischt mit teils abstrakten Animationen, unterlegt mit der fabelhaften Erzählstimme von Tilda Swinton, entsteht ein ganz grosser, wunderbarer experimenteller Dokumentarfilm. Auch wenn die 88 Minuten etwas zu lang geraten sind, wohl mit Blick auf eine Kinoauswertung, langweilig wird einem nicht.
Bei den Kurzspielfilmen fällt immer wieder auf, wie perfekt aber auch wie wenig eigenwillig sie sind. Da es sich, meistens, um Arbeiten von Filmschülern handelt, wäre ein bisschen mehr Dreistigkeit, ein bisschen mehr „Irrsinn“ wünschenswert, perfekt aber konventionell kann man dann immer noch werden. „Die Jacke“ von Patrick Vollrath ist eine, auf engem Raum, abgesteckte Studie über Stärken und Schwächen und den Umgang, vor allem, mit Schwächen, in einer sich gerade anbahnenden Liebesbeziehung. Gute Geschichte, gut erzählt, super gespielt. „So schön wie du“ von Franziska Pflaum, zwei 15 jährige Mädchen: Konkurrenz, erste sexuelle Erfahrungen, Verrat, eine grimmige Milieustudie im ländlichen Ostdeutschland. „Nabilah“ von Paul Meschùh, völlig unterschiedliche kulturelle Welten treffen aufeinander als ein Deutscher Soldat in Afghanistan ein verletztes Mädchen rettet, spannend, atmosphärisch, beklemmend, und eine sagenhafte Leistung der Ausstattung, die „Afghanistan“ in Bayern nachgebaut hat. Wirklich herausragen kann aus diesem Programm aber nur „Tödliche Identität“ von Michael Gülzow und Michael Simku, mit Versatzstücken, die aus Fernsehkrimis bekannt sind gemischt mit Konzeptkunst-Katalogsprache und teilweise sehr abgedrehten Bildern entsteht ein Film, der Freude am Spielerischen des Medium Films vermittelt.
Eine ziemlich persönliche Annäherung an das Phantom Jörg Haider erzielt Nathalie Borgers mit „Fang den Haider“. Mit dem fragenden Blick der „Wahlausländerin“ fährt sie auf Spurensuche durch Haiders Kärnten, wo auch 7 Jahre nach dessen Tod, die Menschen, und zwar nicht nur seine politischen Freunde, in gar nicht so stiller Verehrung um den rechtspopulistischen Politiker verharren. Und obwohl es die ganze Zeit nur um die Person Haider geht, zeigt sich ein Muster, das die rechten Tendenzen in ganz Europa demaskiert.

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Ganz nah im Geschehen, aber sich selber völlig heraushaltend, so funktioniert Constantin Wulffs zweiter Film im diesjährigen Programm. „ Wie die anderen“ zeichnet ein erschreckendes und bewegendes Bild von Kindern und Jugendlichen in einem Psychiatrischen Krankenhaus, es gelingt ihm mit der Kamera anwesend zu sein, aber nicht zu beeinflussen, und so folgt man diversen Situationen im Krankenhausalltag: Besprechungen, in denen es mal um Patienten und deren Schicksale geht, mal aber auch „nur“ um die Überlastung der Ärzte und den chronischen Mangel an Personal, Therapiesitzungen, in denen man den quälend langsamen – wenn überhaupt – Fortschritt miterlebt, nächtliche Stressmomente ebenso wie relativ ruhigen Arbeitsalltag, nie scheinen die Portraitierten die Anwesenheit eines Filmteams zu bemerken. Sensibel und zurückhaltend, nicht wertend aber schonungslos offen ist diese Dokumentation.
Tag_3 Grenzen überschreiten
Der besten Schutz vor den Strahlen einer partiellen Sonnenfinsternis bietet ein dunkler Kinoraum. Schön wenn einem dann ein Film wie „Minor Border“ von Lisbeth Kovačič im Dunklen erwartet. Der Kurzdokumentarfilm zeigt fast zärtlich die, mittlerweile heruntergekommene, Österreichisch-Ungarische Grenze, der Charme des Kaputten, des Desolaten, in dem immer noch ein Rest steckt von dem was hier einmal war: das Ende der westlichen Welt. Unter den Bildern liegen Off Erzählungen diverser Grenzgänger und Flüchtlinge, ein starker Kontrast zwischen der Poesie der Bilder und der Härte und Ausweglosigkeit der Schicksale, einzig die Idee, die Untertitel ständig an andern Stellen zu platzieren stört.
Filme von Jakob M. Erwa sind Heimspiele in Graz und das Kino immer entsprechend voll; sein neuer Film „ Homesick“, bildet da keine Ausnahme. Der dritte Film (neben Superwelt und Stimmen) der in diesem Jahr versucht den Wahn einer Figur im Film erfassbar, fühlbar zu machen. Mit Mitteln eines Psycho-Horror Films erzählt er die Geschichte einer jungen Cellistin, die sich von ihrer Nachbarin zusehends beobachtet, bedrängt, bedroht fühlt. Ein bisschen Rosmarys Baby, ein bisschen Psycho ein bisschen Klischee und viele Zitate aus dem Genre, dazu schöne Gesichter, in schönen Räumen schön ins Bild gesetzt, aber jeder Hinweis auf eine Bedrohung, auf eine Eskalation auf eine Wendung, erfüllt sich so sicher und vorhersehbar, dass es dann irgendwie langweilig wird. Der Film ist entweder zu glatt, oder er sollte eine Persiflage werden, und hat unterwegs den Humor verloren; trotzdem wird der Film sicher gut beim Publikum ankommen.
Der Protagonist in „Homme Less“ von Thomas Wirthenson verwirrt, ein gut gekleideter Modephotograph, umgeben von Schönen Menschen im glänzenden, teuren New York, und doch ist er ein Obdachloser, einer, der auf dem Dach unter einer Zeltplane schläft, seit mehreren Jahren schon. Unsentimental ist diese Lebensgeschichte erzählt, über zwei Jahre ist der Regisseur dem Mann gefolgt, hat ihn beim Arbeiten und beim Flirten beobachtet, aber auch beim Rasieren in einem öffentlichen Waschraum, oder beim Verstauen seiner Habseligkeiten in Schliessfächern und natürlich auch auf seinem Dach, auf das er sich nur wagt, wenn sicher niemand ihn sehen kann, und wo er halsbrecherisch über eine Brüstung steigen muss, um in sein Versteck zu kommen. Der Film zeigt wie nah Würde und Selbstbetrug liegen können, intensiv, bildgewaltig und erschreckend.
Eher ein Hörfilm ist „My talk with Florence“ von Paul Poet, eine Lebensgeschichte in Form eines gefilmten Monologs, auch wenn im Off immer wieder Zwischenfragen kommen, ist es doch im Wesentlichen Florence Erzählung, die den Film bestimmt. Zugegeben hat sie viel zu erzählen, ein Leben, das von sexuellem Missbrauch, Psychiatrie, Strasse, Otto Muehl Kommune und wieder Missbrauch geprägt ist, und auch wenn ihre Mimik manchmal dem Inhalt zu widersprechen scheint, sind zwei Stunden ungeschnittener Monolog eine sehr rohe Variante zum Thema Film.