Tag 2 alles so schön bunt hier

Angela Christlieb (c) ch. dériaz
Ein fast volles Kino, morgens um 11, und das für einen Dokumentarfilm über ein Performancekunst Kollektiv, in Graz ist das möglich. „Whatever happened to Gelitin“ von Angela Christlieb ist das frühe Aufstehen auf jeden Fall wert. Wie hier die sinnliche, happtische, durchgeknallte Kunst der Gruppe aus Performance Ausschnitten, Schnipseln, Interviews, der – fiktiven – Suche nach den Künstlern und Musik zusammen montiert sind, ist einfach berauschend, eine Dokumentation und ein eigenständiges, funkelndes Kunststück.
Im Programm 2 der innovativen Filme besticht vor allem „Der beste Weg“ von Angelika Herta, weil er formal so scheinbar einfach daher kommt, und doch sehr komplex ist. Auf schwarz liest man vom Tagesablauf einer blinden Person, zu hören die Stimme eines Sprachausgabeprogramms, klingt simpel, oder gar langweilig, aber die mal verrutschende, mal leinwandfüllende Typographie, der wahnwitzige, teils falsche Duktus der Computerstimme und die absurden Erlebnisse eines unbekannten Alltags ergeben einen witzigen, formal spannenden, originellen Film. Auch ein Spiel mit visueller Umsetzung von Sprache treibt „Der längste Kuss“ von Hubert Sielecki und Gerhard Rühm. Ein eher beliebiger Text zu eine Wettbewerb im Dauerküssen wird von einer Männer- und einer Frauenstimme vorgetragen, auf der Leinwand farbige Balken, die sich als mathematische Umsetzung der einzelnen Worte in Länge, Redefluss, Pause und Überlagerung gliedern. Man meint mitzulesen was vorgetragen wird, und sieht doch nur strukturierte Farbbalken.
Aus Material das der 2007 verstorbene Jörg Kalt 1998 aus New York mitgebracht hat, und es kurz vor seinem Tod der Cutterin und Regisseurin Nina Kusturica in die Hand gedrückt hat entsteht „Shops around the corner“. Die Geschichte(n) einer Strassenecke in Little Italy, Ansichten, Einsichten, Interviews, alles relativ improvisiert und „aus der Hüfte geschossen“, das Mäandern in einem begrenzten Raum ist manchmal interessant, meistens aber nervt die Qualität der Mini DV Bilder. Trotzdem, Respekt vor der Leistung des Schnitts.
Stierkampf verbindet man ja eher mit Spanien, oder eventuell mit Südfrankreich, aber dass es in Bosnien eine Stierkampf Tradition gibt, ist eher unbekannt. „Korida“ von Siniša Vidović schliesst diese Wissenslücke. In Bosnien kämpfen allerdings nicht Mensch gegen Tier, sondern gehätschelt und gepflegte Kampfstiere, die ihre Zweikämpfe auch überleben. Wesentlich spannender als die, beeindruckenden, Stierkämpfe ist allerdings, dass diese Tradition die 3 bosnischen Ethnien zu einen scheint; zumindest die letzten 242 Jahre. Denn obwohl Bosnien nichts nötiger braucht, als ein friedliches Miteinander, werden plötzlich Kämpfe an „sensiblen“ Orten von Behörden verboten, das Auto einer Stier Besitzerin wird angezündet, ihr Haus mit Granaten beworfen.Trotz interessanter Protagonisten, beeindruckender Tiere und guter Kamera bleiben die Feinheiten der Problematik unklar, sei es weil sie unklar sind, sei es weil sie sich mittels Untertitel nicht erschliessen.
Zwei kurze Dokumentarfilme zum Abschluss des Tages, „Murl“ von Manuel Knoflachund Felix Sebastian Huber und „Maria Lassnig: Es ist Kunst, jaja…“ von Sepp Dreissinger und Heike Schäfer. „Murl“ ist das Kurzportrait eines Skaters, der eigentlich nur eines will, vom skaten leben, und da das eher schlecht funktioniert, nähert er sich diesem Ideal so weit es geht an. Off Interviewtexte, Murl im Alltag und irrwitzige Skate-Stunts bringen dem Zuschauer die Person nah, und als der Film nach 15 Minuten vorbei ist, wünschte man er würde noch etwas dauern. Ein gutes Gefühl! Jahrelang haben die Regisseure Maria Lassnig begleitet, gedreht, befragt, entstanden ist das Bild einer lustigen alten Dame, einer grossen Malerin und einer Frau, die zu Leben versteht und bis fast zum letzten Atemzug gemalt hat, sehr spannend, wenn gleich filmisch unspektakulär.

(c) ch. dériaz
Diverse Partys und Feste, die im Rahmenprogramm in Graz stattfinden, sind gut besucht, der Film lässt sich und seine Macher feiern.