Locarno_2016_6

DSC07197

(c) chderiaz

Die Leoparden sind verteilt

 

Selten haben Jury Entscheidungen so durchweg Zustimmung erfahren wie in dieser 69. Ausgabe des Filmfestivals von Locarno. Neben guten, wenn auch konventionellen Filmen gab es dieses Jahr viele schräge, originelle, schwer zu fassende und künstlerische Filme im Programm; damit war die künstlerische Leitung sehr nah an dem was das Herz dieses Festivals ausmacht, dem kreativ-künstlerischem, intellektuellen Kino ein zu Hause zu geben. Und alle Jurys folgten diesem Gedanken und prämierten nicht die leicht konsumierbaren, sondern eigenwillige Filme mit Ecken und Kanten, ohne dabei in elitäre Cineasten Sphären zu verschwinden; Kreativität kann durchaus auch bodenständig sein.

 

DSC07171

(c) chderiaz

Erfreulich, wenn auch wirklich verblüffend sind Entscheidungen der Kurzfilmjury mit ihrem Präsidenten Edgar Reitz, Pardino d’oro international geht an den wunderbaren Experimentalfilm L’Immense retour (Romance) von Manon Coubia, Pardino d’oro national an den Animationsfim Die Brücke über den Fluss von Jadwiga Kowalska. Pardino d’argento gehen jeweils an sehr eigenwillige und experimentale Kurzdokumentarfilme, international an Cilaos von Camilo Restrepo und national an Genesis von Lucien Monot.

 

 

Interessant die Auswahl der Jugendjury, deren Hauptpreis ging an den Thailändisch-Japanischen Film Bangkog Nites von TOMITA Katsuya, einen episch langen Film über Prostituierte und deren, meist, ausländische, Freier. Ein Film über Macht- und Ohnmachtsverhältnisse. Einen weiteren Preis vergaben sie an die japinischen Softporno Komödie Kaze ni nureta onna (Wet Woman in the Wind) von SHIOTA Akihiko.

 

DSC07228

Dario Argento (c) chderiaz

Für die Cineasti del presente gab Jury Präsident Dario Argento eine gleichermassen freche wie gute Begründung, der Pardo d’oro gehe vielleicht nicht an den besten Film der Sektion, aber an den, der dem Konzept dieses Wettbewerbs am besten entspricht; der Preis geht an den argentinischen Film El auge humano von Eduardo Williams, dessen schlängelnd-kreisförmig erzählerische Bewegung trotz einiger Schwächen, besonders bei der Kamera, sehr interessant war.

 

 

 

 

 

Im Hauptwettbewerb bekam der sehr schöne rumänische Film Inimi cicatrizate (Scarred Hearts) von Radu Jude, den Spezialpreis der Jury. Der pardo d’oro ging an die bulgarischen Regisseurin Ralitze Petrova für ihren bedrückend schönen Film Godless. Der Film bekam auch den Preis der ökumenischen Jury und die Hauptdarstellerin Irena Ivanova wurde als beste Schauspielerin mit einem Leoparden ausgezeichnet.

 

 

DSC07177

(c) chderiaz

Am Abschlussabend auf der Piazza herrschte gute Stimmung, teils fröhliches Chaos auf der Bühne, wenn Regisseure nicht wussten, ob sie nach der Übergabe des Leoparden bleiben oder gehen sollten, manchmal gab es Sprachverwirrung, alles in allem aber ein harmonisches Ende. Im kommenden Jahr, zur 70. Ausgabe des Festivals wird die Schweizer Post dem Festival eine Briefmarke widmen; etwas weniger glücklich dürfte das Wegfallen eines der Hauptsponsoren das Team um Marco Solari und Carlo Chatrian machen.

Als letzten Film gab es dann das monumentale indische Superhelden Epos Mohenjo Daro von Ashutosh Gowariker, 153 Minuten bunt, laut und kolossal übertrieben, sprich: ein lustiger Film.

Alle Preise auf www.pardo.ch

Nächstes Jahr am 2. August beginnt die Jubiläumsausgabe des Filmfestivals von Locarno