„Der Faschismus hat viele Gesichter“

Will Donald Trump Edward Snowden exekutieren? Oliver Stone über Demokratie in Amerika – San Sebastian-Tagebuch_2016_04

„I am reporting, what I saw.“

Oliver Stone

„Als er zum Präsidenten gewählt werden wollte, sprach Barak Obama noch von Transparenz. Die Überwachung der Bürger, die Ausweitung der Geheimdienste und ihrer Macht, das werde er unterbinden ‚that’s not the american way.‘ verkündete er in seinen Reden. Jetzt, acht Jahre später, hat er als Präsident die Überwachungs-Politik von George W.Bush noch mehr als verdoppelt. The United States of America are the most massive global surveillance state, a way beyond Stasi.“ Oliver Stone redet sich langsam warm. Bei der Pressekonferenz zu seinem neuen Film „Snowden“ über den berühmtesten Whistleblower der Welt, der jetzt beim Filmfestival von San Sebastian seine Europapremiere erlebt, und zeitgleich in vielen europäischen Ländern startet, macht Stone klar, dass er seinen Film auch als eine sehr aktuelle Botschaft an das weltweite Kino-Publikum versteht.

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Heute kann Snowden im demokratischen Westen keine Zuflucht mehr vor den vielen Armen der US-Geheimdienste mehr erhoffen. „In den USA wird er kein faires rechtstaatliches Verfahren erhalten, und noch nicht einmal einen öffentichen Prozess – jedenfalls solange die Antiterrorgesetze in Kraft sind, die durch keine demokratische Regel gedeckt sind.“ Oliver Stone macht seinen Pubkt unmissverständlich klar: Die USA sind kein demokratischer Staat, kein Staat, der sich an rechtsstaatliche Prinzipien hält, sondern ein autoritäres Willkürregime. Die USA sind nicht besser, als Staaten wie Kuba, China oder die Türkei. Und ihre europäischen Verbündeten sind Satrapen und Erfüllungsgehilfen. „Als ein Geschöpf der Sechziger Jahre bin ich weiterhin schockiert, dass ausgerechnet Rußland das einzige Land auf der Welt ist, dass Snowden schützt, und das ihn überhaupt schützen kann.“

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Auf die tendenziös formulierte Frage eines lateinamerikanischen Journalisten, ob denn im Kampf gegen die ISIS nicht das Vorgehen von NSA, CIA und FBI gerechtfertigt sei, reagier Stone scharf und klar, und erhält Beifall im Saal, als er antwortet: „Solche Sprüche haben die Deutschen seinerzeit in den Dreißiger Jahren auch gehört. Das erste, was die Nazis ihnen damals sagten, war: ‚Wir bringen Euch mehr Sicherheit.'“ Heute drohe ein neuer Totalitarismus. „Der Faschismus hat viele Gesichter. Aber es gibt nie irgendeinen Grund, unsere Bürgerrechte zu opfern.“

Im Namen angeblicher Gefahren reagierten auch demokratische Regierungen heute mit extremistischen Antworten: „Ich will erst einmal den Beweis sehen, dass unsere Sicherheit tatsächlich auf dem Spiel steht. Die Regierung soll ihren Job machen. Das hat sie vor dem 11.September 2001 nicht gemacht. FBI und CIA haben es vermasselt. Sie haben die Zeichen nicht erkannt, weil sie in der Flut der Daten ersoffen sind. Diese Geheimdienste sind nicht sehr intelligent („This intelligence doesn’t seem so intelligent to me.“).

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Kann ein solcher Film etwas bewirken? Und was? Gibt es aus Stones Sicht überhaupt Hoffnung, dass sich die Verhältnisse wieder bessern? „Wir müssen irgendwo anfangen“ antwortet Stone auf derartige Fragen; die Situation sei ernst, jeder werde überwacht. Die Bürger der USA müssten jedoch verstehen, „dass der derzeit Weg Amerikas zu seiner Selbstzerstörung führt.“

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Mit den aktuellen Präsidentschaftswahlen in den USA habe sein Film und das Timing des Starttermins aber nichts zu tun. „Keiner der Kandidaten hat irgendetwas über den „surveillance act“, über das Überwachungsgesetz gesagt.“ Aber gegen Ende seines Films zitiert Stone kurz Donald Trump, den rechtspopulistischen Kandidaten der Opposition. Der hatte den Fall Snowden mit einer für ihn typischen extremen Forderung kommentiert: „There is still a thing called execution.“

Rüdiger Suchsland