Diagonale_2017_Preise

Das war die 2. Diagonale – Bildgewaltig

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Volle Kinosäle zu allen Uhrzeiten, für alle Genres, für konventionelle wie auch für sehr spezielle, selbst sperrige Filme. Ist es die spezielle Stimmung bei einem Festival, oder die Tatsache, dass die Filme höchstens zweimal gezeigt werden? Was zieht so viele Menschen in die Kinos, und wieso müssen, ausserhalb von Festivals, Kinos schliessen? Und zeigen die Zuschauerzahlen bei Festivals nicht auch, dass mehr Mut zu mehr Vielfalt in der Filmauswahl durchaus Aussicht auf Erfolg haben kann?

 

 

 

 

Eine sonnige, fröhliche Diagonale geht zu Ende, die Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger, die man die gesamten Festivaltage hauptsächlich vorbeihuschen sieht, schlossen die Jubiläumsausgabe mit vielen Danksagungen und wurden unter stürmischem Applaus von der Bühne verabschiedet.

Ein bisschen unruhig geriet die Preisverleihung dann, weil ständig Zuschauer ihre Plätze verliessen um dann mit Getränken von der Bar zurückzukommen.Musikalisch wurden die einzelnen Preiskategorien angekündigt, und die Preise, neben Geldpreisen auch die goldene Diagonale Muskatnuss, verliehen.

In diesem Jahr gab es keinen „grossen Abräumer“ , die Preise in 17 Kategorien verteilten sich relativ gleichmässig über die Filme.

Sehr zu Recht wird „Die Liebhaberin“ von Lukas Valenta Rinner mit dem Grossen Preis Spielfilm ausgezeichnet, der Film erhielt ebenfalls den Preis für Bestes Sounddesign Spielfilm (Nahuel Palenque) . Dieser Preis ist umso erfreulicher, da es sich um keinen einfachen oder gefälligen Spielfilm handelt, statt dessen wirft der Regisseur einen scharfen Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse, und verpackt diesen in einen spannenden, schwarzhumorigen Film.

Allem Anschein nach hat Ivette Löckers Familienporträt „Was uns bindet“ viele Menschen und die Jury sehr bewegt; der Film ist handwerklich sauber und gut gemacht, er ist mutig insofern, dass er sehr private Einblicke in das Familienleben der Regisseurin gewährt, das alles führte zum Grossen Diagonale Preis Dokumentarfilm. Wen er wirklich berührt, bleibt, wie bei jedem Kunstwerk, Geschmackssache. Ein Teil des Preises, 2.000€ zur Filmdatensicherung, gestiftet von „Was uns bindet“ Produzent Ralph Wieser, wurde statt an sich selber, spontan an Bernhard Braunstein für den Film „Atelier de conversation“ weitergegeben; eine schöne Geste.

Die erfreulichsten und vermutlich auch unumstrittensten Entscheidungen sind die beiden Kamera Preise, an Wolfgang Thaler und Sebastian Thaler für „Ugly“ (Beste Bildgestaltung Spielfilm) und Attila Boa fürUNTITLED“ (Beste Bildgestaltung Dokumentarfilm). Wobei Wolfgang Thaler, wegen einer Knieverletzung, gar nicht gedreht hat, und somit der Film in Gänze von seinem Sohn Sebastian ins Bild gesetzt wurde, der Schönheit der Bilder hat das nicht geschadet. Attila Boa bedankte sich für die Möglichkeit, die ihm Dokumentarfilme bieten, nämlich nicht einen Protagonisten auszuwählen, um seine mehr oder weniger dramatische Geschichte zu bebildern, sondern Menschen die Freiheit zu geben ihre Geschichte zu erzählen, und das in Bildern einzufangen.

Die Preisträger Innovatives Kino Pferdebusen“ von Katrina Daschne, Bester KurzspielfilmMathias“ von Clara Stern und Bester Kurzdokumentarfilm
Spielfeld“ von Kristina Schranz, sehen in den kurzen Ausschnitten, die bei der Preisverleihung gezeigt wurden, sehr schön und spannend aus, passten aber leider nicht in mein Programm.

Der Schnittpreis an Ulrike Kofler, Monika Willi und Christoph Brunner für „Wilde Maus“ ist ein wenig schade, weil der Film, wenn auch recht lustig und wirklich gut gemacht, eher nicht durch aussergewöhnlichen Schnitt auffällt; ein Film wie „die Liebhaberin“, der sehr vom Rhythmus, und von der Auswahl ungewöhnlicher Perspektiven und Schnittfolgen lebt, hatte da mehr zu bieten. Beste künstlerische Montage Dokumentar ging an Christin Veith (auch Regie) und Cordula Thym für „Relativ Eigenständig“, leider nicht gesehen.

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Zum Ausklang noch mal Musik und Party, und bis zur Diagonale 2018.

 

 

 

Erst Sonntag bekanntgegeben: der diesjährige Publikumspreis geht an „Die beste aller Welten“ von Adrian Goiginger.

Alle Preise auf http://www.diagonale.at/festival/preise/

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Tag_3 und 4_Elektrozäune und „Kosmopiloten“

Irgendwie waren in meinem Programm bisher wenig Spielfilme, das gilt es jetzt nachzuholen. Warum jemand zur 11.30 Vorstellung zu spät kommt, dann im Kino erst sein Handy ruhigstellt, um dann in aller Ruhe aus einer raschelnden Tüte eine Pappschachtel mit asiatischem Nudelgericht zu fischen, und zu essen bleibt rätselhaft.

Aber nichts davon ist Thema in: „Die Liebhaberin“ von Lukas Valenta Rinner. Eine umzäunte, bewachte Luxuswohnanlage, ruhig, kalt, mit manikürtem Rasen und blasiert, gelangweilten Bewohnern, und ein hippieskes Nudistencamp, mit wild wucherndem Grün, verschlungenen Pfaden, mit der Freiheit und freier Liebe frönenden Nackten, getrennt durch einen bösen Elektrozaun, verbunden durch eine verhuschte, irgendwie gebeugten Hausangestellte. Der Film entwickelt sich langsam, sehr langsam, die Hausangestellte Belén, schweigt, verrichtet ihre Arbeit, hat eine vage Beziehung zu einem Wachmann, bis sie das Nudistnecamp entdeckt. Und auch hier, Langsamkeit, wie bei einer Blume, die zu wenig Wasser hatte, kann man zusehe wie Belén sich langsam aufrichtet, aufblüht, bis ein hässlicher Unfall mit dem Elektrozaun zur Schliessung des Camps führt. Dann geht alles rasend schnell auf ein blutiges Ende zu. Sehr schön.

Eher blutleer eines der Kurzdokumentarfilm-Programme, vier Filme die architektonische Utopien zum Inhalt haben, aber weder gewollt asynchron „sprechend Köpfe“ wie in „Venus & Peripherie“ von Josephine Ahnelt, noch die Kombination -analog aufgenommener- Photos und mit dem Handy aufgenommener O-Töne in „Du, meine konkrete Utopie“ von Zara Pfeifer, schaffen wirklich zu überzeugen. „A tropical house“ von Karl-Heinz Klopf hat zwar schöne, perspektivisch interessante Bilder, aber man wünscht sich schon das Haus des indonesischen Architekten Andra Matin, wenigstens ab und zu in Totalen zu sehen.

Wann immer in Graz ein Film der Riahi Brüder gezeigt wird, wird es voll, sehr voll. Wären sie aus Graz statt aus Wien, man würde es ein Heimspiel nennen. Arman T. Riahis „Die Migrantigen“ fängt wegen der Publikumsmassen und des begleitenden ORF Kamerateams mit einer Verspätung von mehr als 30 Minuten an, was aber nach den ersten Minuten des Films schon wieder vergessen und vergeben ist. Eine überdrehte Komödie, die mit den gängigsten und dämlichsten Vorurteilen jongliert, sie neu sortiert, umdreht, durch den Wolf dreht, und als Feel-Good- Movie mit viel Humor wieder ausspuckt. Riahis beiden Co-Autoren Faris Rahoma und Aleksandar Petrović, die auch die Hauptrollen in diesem Filmspass übernehmen, zeigen Spielfreude und einen erfreulichen Mangel an Angst vor Peinlichkeit, Johlen, Klatschen Freude und am Ende das gesamte (!) Filmteam auf der Bühne. „Die Migrantigen“ dürfte problemlos auch nach der Diagonale viel Publikum ins Kino ziehen.

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„Die Migrantigen“ auf der Bühne (c) chderiaz

Wer Spielfilme bevorzugt, in denen geradlinig von A nach Z erzählt wird, der wird mit „Ugly“ von Juri Rechinsky nicht glücklich werden. Für alle, die kein Problem damit haben, wenn die Chronologie aufgehoben wird, es zwar eindeutig ein Vorher und ein weniger eindeutiges Nachher, aber definitiv kein festzulegendes Jetzt gibt, die traumschöne Bilder, in denen die Unschärfe die Schärfe aufzusaugen scheint, mögen, werden eine grosse Freude an diesem Film haben. Der Inhalt lässt sich, selbstredend nach dieser Einleitung, nicht nacherzählen, nur das Gefühl, dass wenn die Liebe aufhört alle Wunden zu heilen, die Verzweiflung malerisch das Zepter übernimmt und einen verwirrend schönen Film gebiert.

Es bleibt jetzt nur noch das Warten auf die Bekanntgabe der Preise, in der Hoffnung, dass die Neugierde auch in den Jurys dominiert hat.