Mädchen und Mythen

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Kinowetter nennt Sebastian Höglinger am Morgen euphemistisch den fiesen Dauerregen, die 11 Uhr Vorstellung von L’Animale von Katharina Mückstein ist auf jeden Fall –turbulentes Gedrängel an den Kartenschaltern inklusive- restlos ausverkauft. In ihrem zweiten Langfilm erzählt sie von der starken Mati, die in ihrem Dorf in der Clique der „bösen Buben“ ist, Moped fahren, laut sein, ein bisschen Macho, auch sie spielt da mit, ganz eindeutig hat sie nichts mit den Mädchengruppen zu tun, aber ihr bester Freund will plötzlich Liebe, und sie verliebt sich in die unabhängige Carla. Während Mati ihren Weg sucht, finden muss, was sie will, wie dazu stehen, und wen lieben, hat ihr Vater diesen „Zug“ allem Anschein nach in seiner Jugend verpasst. Heimlich und in dunklen Gängen trifft er sich zum Sex mit Männern, streite aber vehement ab schwul zu sein. Alle Beteiligten müssen in dieser schönen, aber etwas langen, Geschichte lernen zu sich zu stehen, loslassen um aufzustehen, die einzige die das, vermutlich, wirklich schaffen wird ist die starke Mati. Der Film läuft übrigens seit Freitag in Österreich im Kino.
Der letzte Film vor der Preisverleihung, Die Legende vom hässlichen König von Hüseyin Tabak, ist eine Suche nach einer Ikone des Kurdischen Kinos. Yilmaz Güney, der 1982 mit Yol die goldene Palme gewann, war Dichter, Autor, Schauspieler, Regisseur und politischer Aktivist, ein Held, der in der Türkei immer noch verehrt wird. Tabak begibt sich auf eine Reise, um die Schlagworte mit Inhalt zu füllen, ein Gefühl zu bekommen, wer oder was hinter dem Mythos steckt. Interviews mit Weggefährten, Familie und Filmkennern, Ausschnitte aus Güneys zahlreichen Filmen und Texten, die er grösstenteils im Gefängnis geschrieben hat, zeichnen ein vielschichtiges Bild. Auch wenn der Film an manchen Stellen zu lang ist, oder ein wenig mit der Abfolge, in der erzählt, die Aufmerksamkeit des Zuschauer verliert, ist es ein sehr faszinierender Dokumentarfilm, der nicht nur von einem spannenden Künstler erzählt, sondern auch viel über damalige und heutige politische Verhältnisse zeigt.
Die Preise

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Täglich mindestens vier Vorstellungen gesehen, und doch bleibt das Gefühl den wichtigsten Film möglicherweise verpasst zu haben, oder, mal wieder ,die Preisträgerfilme nicht gesehen?
Nein, Preisträgerfilme, im Wesentlichen, gesehen, dafür aber nicht komplett glücklich mit der Entscheidung der Spielfilmjury, die den Grossen Diagonale Preis an Christian Frosch für Murer- Anatomie eines Prozesses vergibt. Der Grosse Preis Dokumentarfilm geht an Nikolaus Geyrhalter für Die bauliche Maßnahme, was wiederum eine gute Entscheidung ist. Der Preis für Innovatives Kino, also Experimental- und Animationsfilm oder Musikvideo geht an den einzigen Langfilm der Kategorie: ★ von Johann Lurf. Die beiden Kamerapreise gehen an Mariel Baqueiro für Hagazussa und Serafin Spitzer für Gwendolyn, die Schnittpreise gehen an Niki Mossböck für LICHT und Life Guidance und Joana Scrinzi für Gwendolyn und Nicht von schlechten Eltern. Phaidros bekommt sowohl den Preis für das beste Szenenbild: Paul Horn und das beste Kostümbild: Peter Paradies. Eine schöne Entscheidung ist, dass beide Schauspielpreise jeweils an das ganze Ensemble gehen, einmal an für die Darsteller von Cops von Stefan A.Lukacs, und dann an das Ensemble von L’Animale.

P:Schernhuber, S. Höglinger (c) ch.dériaz
Zur musikalischen Auflockerung gab es zur Preisverleihung Austro Fred, der Queen Stücke mit Österreichischen Texten singt, das muss man mögen, oder man muss es aussitzen. Im übrigen ein freundlich, fröhlicher Abend, mit zufriedenen Preisträgern, laut und ausdauernd beklatschter Intendanz, Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber haben auch in ihrem dritten Festival Jahr ein rundes Programm zusammengestellt; ein Wunsch fürs kommende Jahr: mehr Filme von Frauen vielleicht? Wäre doch gelacht, wenn sich da das Gleichgewicht nicht verbessern liesse; den Regen und den auch noch einsetzenden Schnee kann man ihnen dann gerade noch verzeihen.
Alle Preise auf: http://www.Diagonale.at