FFM 2018: Natürliche Macht kommt von Innen

Wir waren’s wirklich nicht, die angefangen haben mit dem „Der Berlinale den Rang ablaufen“-Schmarrn. Aber wo diese Schnapsidee nunmal in die Welt posaunt wurde, fällt’s schwer, das Münchner Filmfest dieses Jahr nicht immer wieder daraufhin wahrzunehmen, warum dieser Konkurrenzgedanke nicht nur arg unrealistisch ist. Sondern gar nicht erst wünschenswert.
Die Berlinale in ihrer aktuellen Inkarnation leidet ja schwer an ihren schizophrenen Bemühungen, einerseits internationalen Glamour zu inszenieren, andererseits sich als ach so politisches Festival zu geben. Und daran, dass sie beides nicht so richtig hinbekommt, dass beides gezwungen und verkrampft wirkt, dass sie nur Werbebühne für Hollywoods B-Ware schafft, und Showcase für zahlreiche mittelmäßige Filme, die aufgrund ihres Themas und nicht der künstlerischen Kraft für bedeutsam erklärt werden.

Das Filmfest München hat (bisher) solche Ansprüche nicht. Und kann sich deutlich entspannter auf Kernqualitäten konzentrieren. Da sieht Glamour und Politik dann so aus: Die diesjährige Glamour-Beauftragte Emma Thompson (oder neuerdings korrekter: Dame Emma Thompson) kommt zum Publikumsgespräch in die Black Box. Die Schaulust und Autogrammhatz draußen am Roten Teppich hält sich in überschaubaren Grenzen. Und die Frau, die dann mit herzlichsten Ovationen im vollen Saal empfangen wird, läuft nicht als Star, als Diva auf.
Was sie offenbart, das ist die integere Bescheidenheit der wahren Großen: Sie hat’s nicht nötig, sich aufzuplustern. Weil sie weiß, wer sie ist, was sie kann, was sie geleistet hat, und was das wert ist. Dame Emma hat den wahren Adel von Menschen, die sich eben nicht größer machen müssen als sie sind, weil sie sich innerlich insgeheim so klein fühlen.

 

Das Podiumsgespräch wird dann von selbst sehr schnell und sehr zwanglos politisch. Eigentlich geht es zunächst nur drum, wie Thompson den Mut fand, als Schauspielerin auch Drehbücher zu schreiben. Aber damit ist man dann halt gleich auch bei Machtstrukturen im Filmgeschäft – und damit unweigerlich bei dem erheblichen Unterschied, den es da für Männer und Frauen gibt.
Moderatorin Susan Vahabzadeh ist klug genug, das Gespräch nicht in vorbereitete Bahnen zurück zu zwingen. Thompson nutzt den Auftritt keine Sekunde, um einen neuen Film zu bewerben. Sondern sie spricht aus sehr persönlicher Sicht und Erfahrung über Feminismus, als begleitende und prägende Kraft in ihrem Leben. Es ist ein zugleich sehr engagiertes und menschliches, warmes Plädoyer. Man hat ganz entschieden das Gefühl, dass Thompson ehrlich interessiert wäre, in einen Dialog mit dem Publikum zu treten; dass sie kurz davor ist sich zu uns runterzusetzen, um sich wirklich auszutauschen.
Und es ist dann das erste Mal, dass wir miterleben, dass ein Stargast mindestens so ernsthaft überrascht und entsetzt wie das Publikum ist, dass das Gespräch so bald schon wieder ein Ende finden muss.

Zur Macht gefragt, die Thompson in der Rolle als Regisseurin genießt, geht sie ins Grundsätzliche: Wahre Macht (man könnte vielleicht besser sagen: Autorität) sei keine, die auftrumpft, die sich ausstellt; die sich darüber definiert, dass sie sich über andere erhebt und andere niederhält.
Und komisch: Irgendwie mussten wir dabei schon wieder an plusternde Kleinfürstlein denken, die sich einen eitlen Roten Teppich zum Schaulaufen erzwingen und erkaufen wollen…

Anna Edelmann & Thomas Willmann