
(c) ch.dériaz
Auf Grund der vielen Filme mit starken, originellen und facettenreichen Frauenfiguren entstand subjektiv der Eindruck, dass dieses Jahr mehr Regisseurinnen im Programm vertreten waren. Nach stupidem nachzählen ist das Ergebnis leider ernüchternd:
Im Hauptwettbewerb kommen 3 Regisseurinnen auf 15 Filme, und da ist schon ein Regie- Paar mitgezählt, bei den Cineasti del presente sieht es nur minimal besser aus: 16 Filme, 5 Regisseurinnen, das ist immer noch zu wenig. Und auch in den Jurys der beiden Wettbewerbe besteht ein Ungleichgewicht zugunsten der Männer, auch das ist schade. Es geht nicht darum um jeden Preis Frauenquoten zu erzwingen, aber wenn man auf die Statistik schaut, dann sieht das eben nicht gut aus.

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Insgesamt gab es weniger Ehrenpreise auf der Piazza Grande, was vielleicht etwas weniger glamourös aussieht, aber angenehmer ist für diejenigen Zuschauer, die vor allem wegen der Filme kommen. Auch die abendlichen Zuschauerzahlen scheinen etwas niedriger zu sein, die 8.000 wurden an keinem Abend erreicht.
Auch in diesem Jahr zerbarsten unter lautem Knacken immer wieder die höchst unbequemen Stühle auf der Piazza, ihre Reste ergaben morgens malerischen Stuhlschrott.

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Ausser einem Film, der auch erst um Mitternacht lief, gab es keine weiteren Hinweise für zarte Gemüter, die durch Filme eventuell schockiert werden konnten.
Und damit soll es dann auch genug der Statistik sein.
Die Preise

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Gleich vorneweg, die beiden Goldenen Leoparden, Hauptwettbewerb: „A Land imagined“ von YEON Siew Hua und Cineasti del presente: „Chaos“ von Sara Fattahi habe ich leider verpasst!
Die Entscheidungen, besonders der Jury für die Pardi di Domani, erscheinen schwer nachvollziehbar, das allerdings konsequent, was dann vielleicht am einfachsten unter: (Kunst) Geschmäcker sind verschieden einzustufen ist.
Der wunderschöne Film „Sibel“ hat „nur“ von den Parallel Jurys, dafür aber gleich drei Preise bekommen,unter anderem den FIPRESCI und den Preis der Jugendjury und ist damit zusammen mit Goldleopard „A Land Imagined“ der Film mit den meisten Preisen.
Das Publikum auf der Piazza Grande hat sich für Spike Lees „BlaKkKlansman“ entschieden, was Anbetracht der vielen eher seichten Komödien eine gute Wahl ist, besser wäre nur „Ruben Brandt, Collector“ gewesen, aber ein Film der erst nach Mitternacht läuft hat, glaube ich, den Publikumspreis noch nie gewonnen.
Alle Preis sind auf der Festivalseite zu finden: https://www.locarnofestival.ch
Am Schluss und zum Abschied von Carlo Chatrian wurde es dann doch noch etwas schwermütig, Festivalpräsident Marco Solari lobte Chatrian in den höchsten Tönen, während dieser aussah, als würde er sich lieber irgendwo auf der Bühne vor der grossen Leinwand verstecken wollte.
Wer die künstlerische Leitung dann übernehmen wird, ist immer noch nicht bekannt, auch wenn einige Namen kursieren, die aber reines „Kaffeesatzlesen“ sind. Sicher ist nur, die 72. Ausgabe starte am 7.August 2019.