Lachende Erben

Seismograph des deutschen Films – Notizen vom Festival Max-Ophüls-Preis 2019, Folge 1; Montag, 14.01.2019

Von Rüdiger Suchsland

„Die Stadt, in der ich geboren bin, heißt Saarbrücken, liegt an der Saar und hat im Lauf der letzten Jahrhunderte mehrere Male die Nationalität gewechselt. Die Geschichte warf sie, ähnlich wie Elsass-Lothringen, alle paar Generationen zwischen Frankreich und Deutschland hin und her, woraus sich meine etwas leichtfertige Einstellung zu nationalen und politischen Problemen erklärt.“

Max Ophüls (1902-1959) am Anfang seiner Memoiren „Spiel im Dasein“

Es wurde auch höchste Zeit. In diesem Jahr, zum 40. Jubiläum des Festivals, probieren wir mal, auch aus Saarbrücken einen täglichen Festival-Blog zu schreiben. Risky Business, denn der wichtigeren Dinge, wie der Ablenkungen gibt es genug, und in diesem Jahr noch ein paar mehr. Wie gesagt: 40 Jahre wird das Festival Max-Ophühls-Preis.

Es liegt nicht unbedingt nahe, in jeder Hinsicht. Jetzt, wenn wir das schreiben, sitzen wir noch auf dem Weg zum Festival im Zug. Von Berlin dauert die Fahrt fast sieben Stunden, darum kommt er erst Viertel nach Sieben in Saarbrücken an. Weil die Eröffnung um 19.30 Uhr losgeht, wird es nachher ganz schön hektisch werden: Mit dem Taxi ins Hotel, Koffer ins Zimmer und dann wieder mit dem Taxi auf die andere Seite der Stadt, zum Saarbrücker Cinestar, wo die Eröffnung stattfindet.

Das Hotel ist das „Leidinger“ [http://www.leidinger-saarbruecken.de/] und nicht nur das erste Haus am Platz, was in Saarbrücken etwas weniger bedeutet, als in Paris oder Moskau, aber immerhin. Hier befindet sich auch seit Urzeiten und über alle Umbauten und Verschiebungen von Rezeption und Frühstückraum hinweg, das Festivalzentrum. Vor allem ist das „Leidinger“ auch insofern das eine von mehreren Herzkammern des Festivals, weil direkt nebenan das Saarbrücker „Filmhaus“ liegt, dessen Leiter Albrecht Stuby vor 40 Jahren das Filmfestival gründete; weil hier ein paar Empfänge stattfinden, und weil hier viele andere Gäste wohnen, die man dann im Hotel beim Kaffee interviewen kann.

Als ich vor zwei Jahren von der Eröffnung nach Hause kam, hielt direkt vor mir eine ziemlich dicke dunkle Limousine. Ich konnte erst nicht sehen, wer ausstieg, aber dann stand ich hinter ihnen an der Rezeption. Es waren der damalige Justizminister Heiko Maas und Nathalia Wörner. Das war überraschend und gar nicht unsympathisch weil man in Saarbrücken offenbar auch als Minister auf Leibwächter verzichten kann.

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Das „Festival Max-Ophüls-Preis“ ist nicht nur das allererste Filmfestival des Jahres, sondern es ist auch das wichtigste Treffen der Nachwuchsfilmemacher des deutschsprachigen Kinos, also aus Österreich, der Schweiz und der Bundesrepublik.

Gerade in den letzten Jahren, zuerst unter der Leitung einer Doppelspitze, seit 2017 dann geleitet von Svenja Böttger ist Saarbrücken trotz kleinerer provinzpolitischer Querelen ein immer stärkeres Festival geworden. Als Ort für Entdeckungen hat es die übrige Konkurrenz hinter sich gelassen. Ja, auch das Münchner Filmfest. Denn dort gibt es zwar eine „deutsche Reihe“. In der laufen, wenn es hoch kommt, auch mal so viele Filme wie in Saarbrücken – in diesem Jahr 16 Spielfilme. Aber in Saarbrücken gibt es auch noch einen eigenen Dokumentarfilmwettbewerb. 12 dokumentarische Werke konkurrieren hier um die hochdotierten Preise. Daneben gibt es außerdem Wettbewerbe für Kurzfilme und für „mittellange“ Filme (30 bis 60 Minuten). Dies ist bestimmt ein Format über dessen Sinn man streiten kann, weil diese Filme fast nirgendwo gezeigt werden können, außer hier. Aber man muss eben auch sagen: In den letzten paar Jahren habe ich die eindrucksvollsten Filme in der Regel in dieser Sektion gesehen.

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Das Gute an diesem Festival ist gerade die unprätentiöse Atmosphäre – nein: kein roter Teppich – und die Tatsache, dass man sich hier auf Anfängerarbeiten konzentriert. Bei den kurzen und mittellangen Filmen hab ich schon öfters Filme von jemandem gesehen, der später sehr gute Langfilme gemacht hat.

Und daneben wird in der Fülle der vier Wettbewerbe, zu denen noch jene Filme kommen, die am Rande in Retrospektiven oder Nebenaufführungen laufen, und der Debatten-Panels am Vormittag, die augenblickliche Stimmungs- und Interessenslage ganz gut erkennbar, so etwas wie Zeitgeist.

Was ist der Stand des deutschen Kinos, was sind erste Themen und Tendenzen, die das Filmjahr womöglich prägen werden? Um solche Fragen zu beantworten, dafür ist Saarbrücken seit jeher ein recht verlässlicher Seismograph.

So läuft in diesem Jahr unter anderem ein Zombiehorrorfilm und der Film einer Comic-Künstlerin. Eröffnet wird heute Abend mit einer Weltpremiere des Films „Das Ende der Wahrheit“. Regisseur Philipp Leinemann ist eine der interessantesten Genrefilmregisseure Deutschlands. Sein Polizeifilm „Wir waren Könige“ verschwand 2014 zwar schnell in der Versenkung, war aber trotzdem (deshalb?) einer der besten Genrefilme der letzten Zeit.

„Das Ende der Wahrheit“ ist ein Politthriller mit Ronald Zehrfeld in der Hauptrolle. Und es geht um den BND. Vielleicht ist Heiko Maas ja heute Abend auch wieder da.

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Die Preise sind aber auch recht hoch dotiert und viele, sodass man insgesamt wenn man Glück hat auf fast 50.000 Euro Preisgeld kommen kann.

Max-Ophüls-Preis heißt das Festival, weil vor 40 Jahren, 1979, bei der genaugenommen ersten, in der offiziellen Zählung 0ten Nummer des Festivals eine Retrospektive von Ophüls gezeígt wurde, der damals gerade 20 Jahre tot war, und eben aus Saarbrücken kommt.

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In einer Filmreihe zum Jubiläum unternimmt das Festival einen Parcours durch das deutschsprachige Kino der letzten 40 Jahre, und zeigt unter anderem Christian Petzolds heute fast vergessenen Debütfilm „Pilotinnen“; oder auch „Ex“ von Mark Schlichter, bei dem 1995 unter anderem Christiane Paul, Florian Lukas, Rolf Peter Kahl und Anna Thalbach zu sehen waren – ein wilder Berlin-Film, der die Hauptstadt so zeigt, wie sie heute nicht mehr existiert: Jung und wild, im Taumel des Rausches und außer Kontrolle; ein Leben auf der Überholspur.

Dazu läuft auch ein Klassiker aus der Zeit des Aufbruchs der Schwulenbewegung: „Westler“ aus dem Jahr 1985 stammt von Wieland Speck der über ein Vierteljahrhundert die Sektion Panorama der Berlinale leitete, und damals von einer Ost-West-Liebe vor dem Mauerfall erzählte.

Saarbrücken, soviel ist sicher, ist also auch in diesem Jahr ein Festival, das sich lohnt.

Die Propagandafilme in ihrer selbstenthüllenden Kraft zum Sprechen bringen…

Ursula Pürrers Montage: Wie montiert man Propagandafilme? Wie kann man dem Nazi-Sound etwas entgegensetzen? – Springtime_with_Hitler_Folge_04; 25.02.17

Mehrfach wurde ich in diesen Tagen gefragt, wie wir denn im Schnitt von „Hitlers Hollywood“ gearbeitet haben. Dazu kann ich hier gern etwas erzählen. Für die Montage ist Ursula Pürrer verantwortlich. Bei „Von Caligari zu Hitler“ war es Katja Dringenberg gewesen. Sie hatte ich natürlich als erstes gefragt, aber sie hatte wegen eines anderen Projekts nicht gekonnt – und vielleicht auch ein kleines bisschen nicht gewollt. Zu stark der Widerwille gegenüber den Nazi-Filmen im Verhältnis zur Versuchung, mit dem Teufel tanzen zu gehen.

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Somit also Ursula Pürrer. Das war eine Super-Zusammenarbeit! Auf allen Ebenen. Sehr partnerschaftlich – sie hat natürlich einen großen, ganz eigenen Anteil am Ergebnis. Im Nachhinein ein Glückgriff und im Rückblick gar nicht anders vorstellbar. Die Montage war für diesen Film sehr bedeutend, weil ich wie schon bei „Von Caligari zu Hitler“ nicht mit einem fertigen Drehbuch gearbeitet habe. Das Bildmaterial sollte uns führen und inspirieren. Mein eigenes Vorgehen würde ich dabei eher mit dem eines DJ’s vergleichen.

Vorab gab es nur ein Treatment von ein paar Seiten, das war’s. Wenn man diesen Text heute liest, dann gibt es darin zwar einzelne Szenen, die „eins zu eins“ übernommen wurden, etwa der Anfang mit jener Szene aus „Der Mann der Sherlock Holmes war“, in der Hans Albers und Heinz Rühmann in einer gemeinsamen Hotelsuite jeweils in ihrer Badewanne sitzen und ein Lied von verräterischer Offenheit singen, und es gibt natürlich auch bestimmte Themenkomplexe, die schon relativ ausgearbeitet wurden – aber das meiste andere gar nicht. Ich glaube daran, dass die Arbeit einen führt, und man dem eigenen Instinkt und der Spontaneität des Augenblicks Raum geben sollte – erst recht, weil wir zu zweit einander ein Korrektiv waren, und auch andere, besonders meine Produzentin Martina Haubrich, sich einbringen konnten.

Für uns gab es einen Grundsatz von Anfang an: Wir wollten versuchen, die Filme – die ja komplett unter der Ägide und totalen Kontrolle von Goebbels und seinem Propagandaministerium entstanden und freigegeben worden sind – für sich selbst sprechen zu lassen, mit zeitgenössischem Dokumentarmaterial, aber ohne neugedrehte Szenen oder Schauplatzaufnahmen. Ich war immer überzeugt, dass dieses Verfahren, gewissermaßen den Blick der Nazis zu zeigen, und dadurch auch zu enthüllen, zu einem guten, auch politisch-moralisch tragbaren Ergebnis fuhren könnte.

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In der Montage eines solchen Dokumentarfilms gibt es aber zahlreiche Fallen, ästhetische wie moralische. Man muss den Propagandaton immer wieder brechen, dem Nazi-Sound etwas entgegensetzen. Das kann man nicht immer nur über den Kommentar machen, es braucht auch gute, mitunter subtile Montage.

Natürlich haben wir uns immer wieder gefragt, wie wir vermeiden, dass im Ergebnis dann die NS-Propaganda einfach nur gefährlich verdoppelt werden würde. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass die Filme in ihrer selbstenthüllenden Kraft zum Sprechen kommen.

Ursula Pürrer hat einen unschätzbaren Anteil daran, dass das Ganze dramaturgisch in Form gebracht wurde. Es hat sich im Verlauf unserer Arbeit gezeigt, dass eine weitgehend chronologische Montage für das Verständnis des Films sehr hilfreich ist. Weil der Zuschauer immer weiß, wo er sich in der historischen Zeit gerade befindet, ist es möglich, bestimmte Filmbilder frei stehen zu lassen und historische Vorgänge extrem zu straffen. Es konnte und sollte ja keine Gesamtgeschichte des Nationalsozialismus erzählt werden, sondern allenfalls eine Mentalitätsgeschichte.

Rüdiger Suchsland

Gute Anfänge sind die halbe Miete

Helle Nächte: Ein großartiger Auftakt zur Filmtour: Zu Gast im Tübinger Arsenal-Kino – – Springtime_with_Hitler_Folge_03; 24.02.17

Am Freitagmorgen erst ein bisschen Arbeit, dann drei Stunden Warten in der Mainzer SWR-Kantine: Ich lausche Gesprächen über Urlaub, Kinder, Hunde,und Fernseh-Rechte. Mittags gebe ich noch Scala auf WDR 5 ein Interview zum Filmstart. Wie unterschiedlich die Sender ihre Compliance-Regeln auslegen! Aber der Compliance-Wahn, das ist eh nochmal ein eigenes Kapitel.

Dann Mittagessen mit Martina und unserem Redakteur beim Italiener Incontro in der Mainzer Augustinergasse; danach geht es flugs nach Tübingen, der ersten Station der eigentlichen Filmtour, die mich mindestens bis zum Juni immer wieder in irgendwelche deutschen Städte führen wird, wo ich „Hitlers Hollywood“ vorstellen werde.

Ich freue mich auf das Arsenal, eines der bekanntesten Programmkinos der Republik – mit einem sehr guten Ruf. Der bestätigt sich dann auch an diesem Freitagabend.

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Dabei fing es ganz schrecklich an: Rechtzeitig in Tübingen angekommen, wollte ich zu Fuß zum Hotel. Auf google-maps sah alles ganz nahe aus. Fehler! Mit Rollkoffer auf Straßenpflaster, unübersichtliche Gassen. Vor allem aber scheint es in Tübingen keine Straßennahmen zu geben, keine Hausnummern und keine Tübinger. Denn ich frage vier Leute, offensichtlich Einheimische nacheinander und alle haben keine Ahnung. Inklusive des Bäckers in der Straße, in der angeblich das Hotel ist. Es stellte sich dann, als ich nach einer halben Stunde Rollkofferspaziergang das Hotel doch noch fand, heraus, dass das „Ibis Styles“ ganz neu gebaut ist, für Geschäftsleute. Was die wohl in Tübingen für Geschäfte machen? Das Zimmer ist gut und geräumig, allerdings gibt es keinen Schreibtisch. Komische Geschäftsleute.

Früher gab es hier auf dem alten Bahngelände den besten Club der Stadt, erzählte mir später Ella, die zwar in Berlin wohnt, aber aus Tübingen kommt, und an diesem Abend meine virtuelle Stadtführerin wird, mit Kneipentips per sms.

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Als ich nach schnellem Einchecken dann gerade durch die Stadt schlendern will, setzt Regen ein. Das wird den Kinobesuch auch nicht steigern. Mist!

Und dann nach zehn Minuten unterstellen an der Bushaltestelle auf der Brücke muss ich mich doch noch richtig beeilen, und ohne viel von Tübingen zu sehen, in die Hintere Grabenstraße zum Kino.

Da merke ich schnell: Kein Grund zur Panik. Der Vorverkauf ist gut. Über Bildern und ausgehängten Pressetexten ist im Vorraum/Café das Wappen von „Arsenal London“ angepinnt. Das „Arsenal“, das man trotzdem deutsch ausspricht, ist aber natürlich nicht nur ein hervorragendes, auch sympathisch gemütliches Kino, sondern auch einer der wichtigsten deutschen Verleihfirmen für Autorenkino und sonstige gute Filme, für die sich bei uns die blöde Bezeichnung „Arthouse“ eingebürgert hat. Ein paar Minuten lang führt mich Käthe kurz in die nebenan liegenden Räume des Verleihs – es ist immer interessant die Vorstellung, die man so jahrelang hatte, mit der Realität abzugleichen.

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Ich war hier noch nie, bei meiner ersten Filmtour für „Von Caligari zu Hitler“ kam das Arsenal nicht vor. Dabei ist es das Schönste an dieser Regisseursexistenz, dass man auf einer solchen Filmtour neben mehr oder weniger spannenden Publikumsbegegnungen auch den Kinos selbst begegnet. Ihren Betreibern, die ja die Basisarbeiter dieses ganzen Phänomens „Kino“ sind. Sie pflegen unsere Kinokultur, da wo sie gut sind. Wo sie schlecht sind, können sie ganze Generationen für das Medium verderben.

Wie wichtig Kinos, ihre Kenntnis und die Pflege der individuellen Orte sind, das habe ich erst richtig verstanden, als ich irgendwann mal mit Stephan Hutter von „Prokino“ gemeinsam das Filmhaus in Saarbrücken besucht habe. Stephan kannte alle Mitarbeiter des Kinos, kannte die Zahlen die die verschiedenen Filme am Ort gemacht hatten – so stelle ich mir gute Verleiharbeit vor.

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Das Kino ist gut gefüllt, etwa 60 Leute. Viele sind älter, nur etwa zehn könnten Studenten sein. Schon in den ersten Minuten, wenn Rühmann und Albers auf der Leinwand erscheinen, wird getuschelt: „Hans Albers“. Gute Anfange bei einem Film sind die halbe Miete – und das ist ein guter Anfang!

Nach zehn Minuten gehe ich raus – etwa kurz nachdem O.E.Hasse in Karl Ritters „Stukas“ das schrecklich-schöne Hölderlin-Gedicht „Tod fürs Vaterland“ rezitiert. Passt ja zu Tübingen.

„…Umsonst zu sterben, lieb ich nicht/,

doch Lieb ich, zu fallen am Opferhügel. Fürs Vaterland/

zu bluten des Herzens Blut. Fürs Vaterland/

und bald ist’s geschehn! Zu euch, Ihr Teuern!

komm ich, die mich leben Lehrten und sterben,

zu euch hinunter!

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Ich muss erst noch austesten, wie laut man den Film abspielen dar. Ein paar Vorstellungen wird es noch dauern, bis ich dafür ein Gefühl habe. Während der Ton in meinem ersten Film tendenziell zu leise gemischt war, ist er diesmal vielleicht das etwas zu laut geworden. Besser als zu leise! Aber jedenfalls merke ich schon jetzt, dass es sehr stark auf den Raum ankommt, wie gut der Ton verständlich ist – jeder der alten Filme ist anders gemischt, unsere Musik und die anderen Tonspuren kommen dazu. Im schlimmsten Fall gibt es ziemliches Tongemansche.

Zwischendurch hab ich ein Interview mit Lilian und Magdalena, den zwei Praktikantinnen von „Wüste Welle“, dem Tübinger Lokal-Radio – sehr sympathisch. Beide studieren Soziologie, die eine kombiniert mit Erziehungswissenschaften, die andere mit Politik. Sie stellen gute Fragen, aber auch viele, und ihre Fragen erfordern ausführliche Antworten – und zwei Lagerbier vom Fass. Wie im Flug sind die 106 Minuten rum – ich komme gerade noch rechtzeitig zur Abspann-Musik ins Kino.

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Der Film wird gut aufgenommen. Moderieren darf ich mich selber weil Kino-Leiter Dieter Betz sich ums andere Kino kümmern muss. Aber alles wird ein Selbstläufer: Die Fragen geben Gelegenheit, den Mythos „Feuerzangenbowle“ zu dekonstruieren, zu erklären, warum dies ein faschistischer Film ist.

Auch sonst ist das Tübinger Publikum sehr interessiert, und das Gespräch dauert 40 Minuten. Danach interviewt mich noch das „Schwäbische Tageblatt“ mit jener gewissen Strenge, wie sie besonders Regionalzeitungen eigen ist.

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Dann noch ein paar Gespräche mit Übriggebliebenen des Publikums. Zu viert gehen wir noch durch die Altstadt, weitgehend synchron mit Ellas sms-Ratschlägen. Zuerst ins „X“, zum Essen. Großartiger Ort, sehr basic, das Bier nicht ein Viertel so gut, wie im Arsenal vorher. Aber dafür gibt es Pommes und einen XL Burger, der hält, was er verspricht.

Dann im „Ammerschlag“, einem Ort, den manche offenbar seit Jahren nicht verlassen haben. Ein Theologiestudent fragt mich um Rat, ob er das Vikariat tatsächlich antreten sollte. Im Zweifelsfall natürlich nicht, wenn er schon so fragt – aber die Kirche braucht jeden.

Weiter zum „Storchen“, auch Raucherkneipe, auch an der Ammer. Nicht rauchen darf man im „Chez Michel“, sehr (!) gemischtes Publikum, gute Musik, zwischen einsamen Sekretärinnen und coolen Rhetorikstudenten, in dem Ella als Bedienung angeblich eineinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte. Aber vielleicht hab ich das falsch verstanden. Alles vier sind Orte, wo man Menschen kennenlernt.

Auf dem Nachhauseweg gebe ich der Versuchung nach, und esse um halb vier einen Döner, der glaub‘ ich, nicht nur wegen der Uhrzeit hervorragend war.

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Leicester City entlässt heute seinen Meister-Trainer Claudio Ranieri – Anlaß für einen tollen Text im Guardian.

Die Laune verderben schlechte Nachrichten aus der Kapitänsbrücke allenfalls kurz – und dass das erweiterte Presseheft aus München so unprofessionell ist, wie erwartet, macht die Laune da fast schon wieder besser. (Ja, stimmt, das ist ein Insiderwitz. Just google me!)

Das Fernsehen als Agendasetter

Weiberfastnacht: In Wiesbaden beginnt die Filmtour Vexierfilme im Nazi-Kino – Springtime_with_Hitler_02; 23.02.17

„Die Frage ‚Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit‘ muß erläutert werden. Sie geht von einer Formulierung aus, die sich während der letzten Jahre als Schlagwort höchst verdächtig gemacht hat. Mit Aufarbeitung der Vergangenheit ist in jenem Sprachgebrauch nicht gemeint, daß man das Vergangene im Ernst verarbeite, seinen Bann breche durch helles Bewußtsein. Sondern man will einen Schlußstrich darunter ziehen und womöglich es selbst aus der Erinnerung wegwischen. Der Gestus, es solle alles vergessen und vergeben sein, der demjenigen anstünde, dem Unrecht widerfuhr, wird von den Parteigängern derer praktiziert, die es begingen.“

Th.W.Adorno: „Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit“

Am Donnerstag-Morgen, Weiberfastnacht, geht es nach Wiesbaden. Dort, im Kino der Murnau-Stiftung findet zum Tag des Bundes-Starts die zweite Premiere von „Hitlers Hollywood“ statt.

Vorher fahre ich noch nach Mainz, um dort auch eine weitere neue Erfahrung zu machen, eine Erfahrung von der Art, wie ich sie nicht alle Tage mache, und die darum besonders reizvoll sind an diesem Move in den Regiestuhl, den viele Kollegen immer noch gern als „Seitenwechsel“ bezeichnen: Ich bin zu Gast bei 3sat Kulturzeit.

Fahrt mit dem Taxi raus zum Lärchesberg, ein seltsam provinzieller Ort, der zwar von hübscher Mittelgebirgslandschaft geprägt ist, die mich an meine Kindheit im Taunus erinnert, aber eben ein Ort der Antiurbanität. Hier sind eben auch die Mainzelmännchen zuhause.

Die Anlage selbst ist eine kleine Stadt für sich. Statt an das wahre Leben erinnert sie aber eher an einen dystopischen Science-Fiction-Film früherer Zeiten: Die Seventies-Architektur und vor allem die Menschenleere. Auch drinnen: Große leere Hallen, nur einzelne Menschen.

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Nach dem Schminken gibt es Kaffee und Schnittchen. Mit Teresa Corceiro, der Redakteurin, sprechen wir nochmal über die Berlinale, die nicht nur mich enttäuscht hat. Kein Vorgespräch zu Sendung, keine Vorbereitung auf die Fragen, was ich aus irgendeinem Grund erwartet hatte – vielleicht weil man das im Radio meist so macht.

Dann geht es im Sendestudio ziemlich schnell. Das Gespräch wird zwar voraufgezeichnet, aber quasi eins zu eins geführt. Cécilie Schortmann fragt mich nach der Entwicklung des NS-Kinos, nach Kritik, die sich in den Filmen versteckt, und danach, wie man heute mit ihnen umgehen soll? Kritik gibt es nicht, so wie es im ganzen NS-Kino eigentlich keine Unschuld gibt. Aber es gibt Distanzbewegungen. Zum Teil, weil die Distanz schon immer da ist, wie bei Käutner, zum Teil aus blankem Opportunismus. Vor allem bei den klügsten unter des Teufels Filmemachern.

Man könnte von einer Gattung der „Vexierfilme“ sprechen, von Filmen, die man aus zwei entgegengesetzten Richtungen anschauen kann: Es sind Propagandafilme, aber in sie sind Widerhaken eingebaut, sodass man in sie auch indirekte Kritik und subtile Distanzierung gegenüber Idealen des Regimes hineininterpretieren kann.

Etwa bei „Großstadtmelodie“ von Wolfgang Liebeneiner ist das so. Und bei Veit Harlans „Opfergang“ – das ist ein morbider Film. Das Kino nimmt darin den kommenden Untergang vorweg, und dekonstruiert die NS-Vorstellungen der „Gesundheit“.

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Ich selbst fühlte mich befangen. Während ich bei Radioauftritten vergesse, dass eventuell Hunderttausende zuhören, führt die Kamera dazu, dass ich meine Körperhaltung kontrolliere und auch wieder stärker damit beschäftigt bin, mich grammatikalisch nicht zu verhaspeln. Sie zu vergessen, muss man auch wieder erst lernen.

Die acht Minuten sind sauschnell vorbei. Ich habe das Gefühl, eigentlich gar nichts zu sagen. Aber immerhin kommt heraus, dass das NS-Kino eine Welt des bewußten Illusionismus darstellt. Es sind Filme, die aufs Irrationale zielen, die ganz bewusst das Unterbewusste des Zuschauers manipulieren wollen. Das Interessante ist, dass diese Propaganda für diese Manipulation nicht lügt, oder jedenfalls weniger lügt, als man es denkt. Im Grunde sprechen die Nazis erstaunlich viel aus in diesen Filmen.

Schortmanns Frage nach erkennbaren Entwicklungen im NS-Film kann man damit beantworten, dass das Kino mit der Zeit immer stärker in phantastische Welten abdriftet. Viele Hauptfiguren träumen – tagsüber als „Idealisten“ oder des Nachts.

Es geht den Filmen ganz bewusst darum, die Grenze zwischen beidem einzuebnen.

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Das Leben ist eben voller Überraschungen. Was so ein Auftritt bewirken kann! Bemerkenswerterweise sprechen mich gleich mehrere Redakteure auf den Auftritt an. Sie vor allem scheinen „Kulturzeit“ regelmäßig zu sehen. Das Fernsehen als Agendasetter. „Herr Suchsland, da macht man einmal 3sat an und prompt sitzen Sie im studio! Werde Ihren Film definitiv ansehen. Schönes Interview! Viele Grüße“

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Die ersten Kritiken sind erschienen. In der SZ hat gestern zur Premiere Susanne Hermanski mit einem besonders schönen, auch besonders schön bebilderten und aufgemachten, halbseitigen Text vorgelegt: „Komm, süßer Tod“ – in dieser treffenden Überschrift ist schon alles drin, die Todessehnsucht und der Kitsch.

Die Autorin beschreibt treffend, dass es mir um den „genaueren Blick auf das Kino der Nationalsozialisten“ geht, und um die Überraschungen, die man erlebt, wenn man diesen Blick wagt. Es geht mir darum, nicht weg zu sehen, in den Abgrund zu schauen, „dem gängigen Reflex“ zu widerstehen, nach dem man die Werke des NS-Propaganda-Apparates lieber grundsätzlich meidet.

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Am Abend dann ist das Kino der Murnau-Stiftung voll. Schöne Überraschung: Christiane von Wahlert ist da. Morgen Abend werde ich im Kino ihres Mannes des Tübinger „Arsenal“ mit „Hitlers Hollywood“ zu Gast sein.

Auch Reno Koppe von meinem Verleih „Farbfilm“ ist da, und wir machen das „Foto des Tages“. Sogar der „Wiesbadener Kurier“ kommt, sein Photograph braucht zehn Minuten, bis alles im Kasten ist – aber es ist bestimmt ein großartiges Foto geworden.

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Nach der Vorstellung gibt es ein wohlwollendes Publikumsgespräch, das nicht allzu lang dauert – dann Premierenstimmung. Im Prinzip. Denn immer wieder gibt es in diesen Tagen auch andere Gespräche, für die man sich Zeit nehmen muss, die mir noch wichtiger sind: Ein älterer Herr aus dem Publikum spricht mich an, erzählt, er sei „Jahrgang 31“. Wie er es erlebt habe, die Ausschnitte zu sehen? „Das kann man gar nicht beschreiben.“ Es dauert nur wenige Sätze, dann sind wir beim ganz Elementaren: Der Selbstmordwelle unter den Deutschen in den letzten Kriegsmonate. Wie kann man sie verstehen? Das sei nicht mitteilbar. Als „Pimpf“ sei er „in der Festung Breslau“ gewesen. Ein besonders fürchterlicher Ort, aus dem nur besonders wenige lebens rauskamen. Er habe selber Kameraden gehabt, die sich umbrachten, und für fast jeden sei dies eine Option gewesen.

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Wolfgang Bergmann von ZDF/ARTE lobt zum Abschied „ganz großartiger Film! … wir sollten mal reden.“ Für die Vorstellung hatte er ein paar kanadische Filmemacher mitgebracht, auch die wirken angetan.

„Toller Film!“ sagt auch Nina Goslar zum Abschied, Redakteurin bei ARTE, der „Hitlers Hollywood“ besonders viel zu verdanken hat: „aber das nächste Mal kürzen wir Dir noch mehr aus dem Text.“ Wird gemacht – in jedem Fall schön zu hören, dass es ein nächstes Mal gibt.

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Versäumt habe ich dafür eines der Fußballspiele des Jahres. Gladbach liegt im ehemaligen UEFA-Cup gegen den AC Florenz im Rückspiel zur Halbzeit 0-3 zurück, gewinnt das Spiel aber noch 4-3.

Premiere im Babylon Mitte!

Lachen als Abwehrzauber, kristallene Gedanken: Heute hat „Hitlers Hollywood“ Premiere – Springtime_with_Hitler_01; 22.02.17

Kaum zu glauben, aber heute geht es tatsächlich los! Von mir und allen Beteiligten lang erwartet, unerwartet verzögert und dann doch alles in allem ziemlich schnell hat mein zweiter Dokumentar-Film, „Hitlers Hollywood“ an diesem Mittwoch Premiere. Der „Farbfilm Verleih“ bringt ihn mit der doch beachtlichen Zahl von 20 Kopien und auch sonst überaus engagiert in die Kinos – und das obwohl das Medienboard Berlin-Brandenburg, das den Film in der Produktionsphase noch gefördert hatte, jetzt bei der Verleihförderung überraschend gekniffen hat.

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Aber heute ist kein Tag zum Meckern. Premiere ist im „Babylon Mitte“ – kein schlechter Ort gerade für diesen Film. Denn auch, wenn dieses Kino in der Berliner Kinoszene nicht unumstritten ist, arbeiten hier viele engagierte Leute. Die Lage am Rosa-Luxemburg-Platz gegenüber der Volksbühne ist prächtig, und vor allem stammt der Bau von keinem anderen, als Hans Poelzig. Dies war ein Ort der Moderne und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.

Es ist sogar die Weltpremiere – auch wenn es nicht ganz so aussieht, wie man sich das vielleicht vorstellt, bin ich zufrieden.

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Am Abend kamen dann über 300 Freunde, Bekannte und zahlende Gäste. Kurz davor hatte mich noch Knut Elstermann getroffen und für seine Sendung „12 Uhr mittags“ interviewt. Hier der Link.

Zum ersten Mal mit Publikum also. Ob ich aufgeregt sei, werde ich gefragt. Eigentlich nicht, alles andere wäre gelogen. Als wir den Film im Sommer zum ersten Mal zur Abnahme gezeigt haben, war ich aufgeregter. Beim zweiten Mal ging es dann schon.

Ich bin eher gespannt, wie das wohl funktionieren mag, was ich mir so gedacht habe, was es so für Kritikpunkte geben wird. Ob dort die Wirkung einsetzt wo ich es mir erhoffe. Ob ich in den Augen des Publikums bei diesem komplizierten Thema zu weit gehe. Oder nicht weit genug.

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Im Saal während der Vorstellung reagiert das Publikum dann schön. Die Leute gehen mit, trauen sich zu lachen – und sei es auch nur aus Sarkasmus. Lachen als Abwehrzauber, warum nicht?

Der Altersschnitt des Publikums ist hier jünger, als ich es für die nächsten Tage erwarte. Auf einige Reaktionen sehr bestimmter Menschen bin ich besonders gespannt. Nicht nur ästhetisch, auch politisch und moralisch ist dieser Film eine Gradwanderung.

Am Ende gibt es dann Applaus, der nicht nur respektvoll ist. Schon in den Abspann hinein.

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Den Abend moderierte Toby Ashraf so professionell, wie charmant. Ähnlich wie ich selbst macht Toby alle möglichen, nur scheinbar unvereinbaren Dinge. Er ist Filmkritiker, macht ein eigenes Festival, und hat schon bei ziemlich vielen guten Filmen in unterschiedlichster Funktion mitgearbeitet.

Auf der Bühne stelle ich einige enge Mitarbeiter vor. Von Martina, meiner Lebensgefährtin und Produzentin mal ganz abgesehen, sind es vor allem Sarah Schmidt, die als Producerin und Rechercheurin zu Recht zwei Credits im Abspann bekam, und Ursula Pürrer, die diesmal für die Montage verantwortlich war. Im Publikum sitzt auch Katja Dringenberg, die seinerzeit „Von Caligari zu Hitler“ geschnitten hatte. Sie hatte mir für „Hitlers Hollywood“ abgesagt, wegen eines anderen Schnitt-Jobs, und wohl doch auch ein bisschen, weil sie sich einen ähnlichen Essay-Film über das NS-Kino nicht so recht hatte vorstellen können. Mein Fehler. Ursulas Glück.

Zu den unverzichtbaren und sehr angenehmen Komplizen, die bei diesem Film zum rechten Zeitpunkt an der rechten Stelle waren, gehört auch Lorenz Dangel, der eine exzellente Filmmusik geschrieben hat, deren Hauptthema genau die Mitte zwischen Hoffnung und Tragik, Drama und Kitsch, Sehnsucht und Melancholie trifft, die diesem Film hilft, weil sie dem Publikum signalisiert, dass weder Didaktik noch Revisionismus drohen.

Des weiteren Karin Meissner, die eine tolle Sprachregisseurin war. Sie musste vor allem mich dirigieren und in bewährter Manier mit sanften Korrekturen durch die langen Textpassagen führen. Dass das nicht selbstverständlich ist, und weniger mit Professionalität, als mit menschlichem Taktgefühl zu tun hat, zeigt vor allem der Vergleich mit ihrer Vorgängerin. Die Sprachaufnahme bei „Von Caligari zu Hitler“ ist für mich ein nachhaltig wirkender Negativhöhepunkt. Und das Ergebnis gibt Karin recht ´- jeder, der beide Filme kennt, lobt bisher, wie sehr viel besser es diesmal gelungen ist.

Aber was wäre eine Sprachregie ohne Sprecher? Rike Schmid, die es verdient hätte, auch öfter auf der Kinoleinwand sichtbar zu sein, und die in ihrer wunderbaren Mischung aus scheinbarer, äußerlicher Kühle und innerer Wärme, verbunden mit unleugbarer Intelligenz, offenbar so sehr ins Schwarze der deutschen Kinoseele trifft, dass diese sich um die geschlagene Wunde nur durch Ignoranz hinwegtäuschen kann, diese Rike Schmid, der Stunde noch kommen wird, spricht in „Hitlers Hollywood“ gleich Susan Sontag (von 1975) und Hannah Arendt (von 1949) zusammen: Spitz, scharf, kristallen – zwei junge Frauen, die noch eher am Anfang stehen, deren Gedanken aber schon fertig sind.

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Natürlich sind dann doch nicht alle gekommen, die sich angekündigt hatten. Schade! Manche drehen, viele sind krank. Post-Berlinale-Grippe und Stress-Syndrom. Auch mich hat das Mammut-Festival geschlaucht. „Die Berlinale macht krank“ könnte man jetzt titeln. Aber das wäre wieder garstig.

Weitaus mehr Filmemacher sind da, als Kritikerkollegen. Über die, die da waren, egal ob sie noch blieben wie Carolin Weidner, Lukas Stern und Frédéric Jaeger, oder recht schnell gingen, wie Verena Lueken oder Bert Rebhandl, habe ich mich natürlich besonders gefreut. Auch Anne von Keller war da, die ich als Bedienung des Haliflor kenne, die sich aber neulich in Saarbrücken als Schauspielerin entpuppte, und die hoffentlich bald viele kennen.

Als die Diskussion und der anschließende Umtrunk zuende sind, ging es gegen Mitternacht mit einem harten Kern noch in die „Bar 3“. Bei den Freunden kam der Film gut an, und ich bekam einige sehr ermunternde Reaktionen. Aber so sind Premieren. Wie der Film wirklich ankommt, wird sich erst die nächsten Tage zeigen.

In den nächsten Wochen werde ich hier in diesem Blog regelmäßig von meiner Filmtour, von dem Film selbst und dem Drumherum erzählen.

Bob Dylan und das Kino

Verschlingungen eines Nobelpreisträgers – Fragmente_zum_Film; 13.10.16

„What do you want?“ – „Staying alive“ – „That is a fine ambition Pat, I guess.“

aus: „Pat Garret and Billy the Kid“

Ein Songwriter, der den Literaturnobelpreis verliehen bekommt – diese Verschlingung ist schon interessant genug. Sie erzählt, scheint mir, bereits eine Menge über die geistige Signatur der Gegenwart, ihre Sehnsucht nach Helden, oder nennen wir es besser Identifikationsfiguren, und ihr Unbehagen an den Kategorisierungen, den Institutionen, dem Schubladendenken unserer Kultur – zugleich aber auch die Ratlosigkeit, was das denn ersetzen könnte.

Dylan ist scheinbar für alles zu gebrauchen und zuständig, eine Projektionsfläche, und insofern unbedingt ein Star des Show- und Medienbetriebs, auch wenn er natürlich „etwas vorzuweisen“ hat. Er erscheint plötzlich auch denen, die sich heute um 13 Uhr für Sekunden gewundert haben, wie eines der wenigen Universalgenies, eine „eierlegene Wollmilchsau“ der Kultur, Klasszist und Rebell, Kanon und Gegenkultur in einem. Könnte es einen besseren Preisträger geben.

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Die Verschlingungen von Dylans Künstlerbiographie werden geradezu rhizomatisch wuchernd, wenn wir uns daran erinnern, dass Bob Dylan auch zum Film eine enge und komplexe Beziehung hat, die auf mindestens vier Ebenen stattfindet.

Da wäre zum einen die offensichtlichste: Die Verwendung von Dylans Musik in zahlreichen Filmen. Von Anti-Vietnam-Stücken, wie „Coming Home“ angefangen, bis hin zu Hippie-Remineszenzen wie The Big Lebowski“ der Coen-Brüder.

Daneben gibt es die nicht weniger wichtigen Dokumentarfilme über Dylan. Sie sind zum Teil sehr früh entstanden. Der bedeutendste ist „Don’t look back“ von 1967 vom Kennedy-Film-Biografen Donn Alan Pennebaker, selbst ein Revolutionär des Dokumentarfilms (und bereits vor 21 Jahren beim Filmfest-München mit einer Retrospektive gewürdigt). „Don’t look back“ hat das öffentliche Bild des frühen Dylan als Rebell, politischer und musikalischer Revolutionär, als Heiliger der Gegenkultur, mit geprägt. „Eat the Document“ von 1972, auch von Pennebaker, knüpft daran an, und ist vor allem legendär, weil er selten zu sehen ist, angeblich Bilder eines Dylan im Drogenrausch enthält und diverse Dylan-Kritiker zu Wort kommen lässt.

„No direction home“ von Martin Scorsese – in dessen wunderbarem Musikfilm „The Last Waltz“ Dylan bereits einen halbstündigen Auftritt hatte – trägt großartige Dokumente zusammen, ist aber gegenüber Pennebakers Werk eher ein bürgerlich-beflissener Film, der Dylan zum Klassizisten macht – wie jetzt auch der Nobel-Preis?

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Dann gibt es drittens die Ebene von Dylan als fiktionale Figur im Spielfilm. Zu nennen ist hier prototypisch „Inside Llewelyn Davis“ von 2013 von den Coen-Brüdern, der im Greenwich Village 1960/61 spielt, einen erfolglosen Musiker der Folkszene ironisch portraitiert, in dessen Freundeskreis von Dylan die Rede ist, der noch nicht entdeckt ist. Die Schlüsselszene des Films ist jene am Ende wiederholte und entscheidend weitergeführte Auftaktszequenz, in der die Hauptfigur aus purer Schlamperei einen der ersten Konzert-Auftritt Dylans verpasst.

Viel wichtiger noch ist aber Todd Haynes‘ fiktionale Dylan-Biographie „I’m not there“, in der sechs Schauspieler Dylan spielen, unter anderem auch Cate Blanchett und Richard Gere, und so die Facetten, die Multiperspektivität seiner Künstlerpersönlichkeit einen auch formalen Ausdruck bekommen.

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Schließlich die vierte und am wenigsten bekannte Seite Dylan: Er ist auch Schauspieler. Vor allem in Peckinpahs „Pat Garrett and Billy the Kid“ (mit seinem Song „Knockin‘ on Heavens Door“ als Filmmusik), dann auch in Dennis Hoppers Spielfilm „Catchfire“ und paar andere…

Aber Peckinpahs allemal unterschätzter und lange nur verstümmelt zu sehender Film ist zentral für Dylans Star-Persona. Der Film macht genau das, was Dylan selber tat: Er verankert die Gegenkultur von ’68 im Herzen Amerikas, die Hippies im Western, die hedonistische Feier des Lebens im Morbiden.

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Und er ist Filmregisseur. Einmal, so gut versteckt, dass es selbst im deutschen Wkipedia-Eintrag nur wenig Spuren hinterlässt, führte Dylan tatsächlich sogar Regie. Ich habe „Renaldo & Clara“ nicht gesehen, muss mich hier also aufs Hörensagen verlassen. Dieser Film ist in der ursprünglichen Fassung annährend vier Stunden lang, wurde bereits 1974 fertiggestellt, kam im Januar 1975 kurz in New York heraus, dann nach verheerenden Kritiken, aber erst wieder 1978 in einer Zweistunden-Fassung. Er mischt Dokumente von Dylans Tournee mit einer erzählenden fiktionalen Handlung. Allein der Cast ist Grund genug, ihn anzusehen: Dylan und seine Frau Sara spielen die Hauptrollen, Joan Baez eine weitere, Harry Dean Stanton, Bob Neuwirth, Allen Ginsberg haben Nebenrollen, weitere bekannte Musiker Auftritte. Einen auftritt hat auch Sam Shepard der gemeinsam mit Dylan das Drehbuch schrieb.

Die englische Wikipedia formuliert dazu: „The style, structure, and thematic elements of Renaldo and Clara were heavily influenced by the French film Les Enfants du Paradis. Similarities between the two films include the use of whiteface (Dylan), the recurring flower, the woman in white (Baez), the on-stage and backstage scenes, and the dialogue of both films‘ climactic scenes. Also evident is the Cubist approach of the two films, allowing us to see the main characters from the different perspectives of various lovers. Running time is also relatively similar.“

Eine extrensive Zusammenfassung des aufd DVD konsequent nicht erhältlichen Films findet man hier.

Und wenn man das alles gelesen hat, hält man es, den Film nicht kennend, für möglich, dass Janet Maslins ungnädiger Verriß in der New York Times vollkommen angemessen sein könnte.

Rüdiger Suchsland

Stasi made in USA

Ghosts in the Shell: America unplugged, Oliver Stones Heldenlied für den berühmtesten Whistleblower der Welt und Ewan McGregors Abgesang – San Sebastian-Tagebuch_2016_08

„This is not about terrorism. Terrorism is the excuse. It is about economic and social control, and supremacy of our government.“

(aus: „Snowden“ von Oliver Stone)

Der erste Impuls nach diesem Film ist zuerst mal, die Kameras meines Ultrabooks zuzukleben. Ein einfaches Heftpflaster genügt. Ich bin zwar gerade nicht online, aber bin ich es wirklich nicht?

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Paranoia hat immer eine Rolle gespielt im Werk von Oliver Stone, aber das macht seine Filme besser, nicht schlechter; es macht sie intensiver, subjektiver, parteiischer. Bei Stone gilt die Weisheit des bekannten Witzes: Die Tatsache, das einer paranoid ist, bedeutet noch lange nicht, dass er nicht verfolgt wird.

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Heute mal um 9 Uhr im Kino, es ist noch dunkel beim Aufstehen. Die Fahrradfahrt an der Concha entlang bis zum Kino dauert etwa zehn Minuten, wenn ich mich nicht beeile, auch 15. Ein seltener meditativer Moment in diesem Festival. Manchmal denke ich da an das was ich vorhabe, was ich sehen will, wen ich anrufen muss. Aber oft schaue ich mir die anderen Radfahrer an, die Passanten, das Meer.

Der Anlass, ausnahmsweise früh aufzustehen ist, dass ich Olver Stones „Snowden“ in der ersten Pressevorführung sehen will. Stone ist hier vor Ort, und später würde es eine Pressekonferenz geben (über die ich schon geschrieben habe).

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Ein Insert behauptet: „The following is a dramatization of events … that occured between 2004 und 2013“. Zwei Menschen in Hongkong, vor einem Hotel. Der „Rubiks Cube“ in der rechten Hand ist das Erkennungszeichen. Auf dem immer landet als erstes das Handy in der Mikrowelle. Dann beginnt Edward Snowden zu erzählen. In Rückblicken präsentiert der Film ihn als guten Amerikaner, „born on the 4th of July“. Soldat in irgendeiner Einheit, typische Stone-Momente einer Scheißarmee-Verklärung: blödsinniger Drill, durch Anschreien zum Mann werden: „Where is your fucking heart?“ – „Sir, right here Sir?“

Dann ein schwerer Beinbruch, der für Smowden zum Glücksfall wurde. „There are other ways to serve your country.“

Beim CIA-Eignungs-Test nach seinen Vorbildern neben seinen Eltern gefragt, antwortet der Film-Snowden: „Joseph Campell, ‚Star Wars‘, Thoreau, Ayn Rand“. Oh jemineh.

Kurz darauf ist er aufgenommen, tauscht sich mit einem abgeschobenem Genie über alte Codierungstechniken aus: „SIGABA“, „CRAY 1„, auch sonst entpuppt er sich früh als Genie, gerade weil er unabhängig denkt.

Kleine Dialogsätze wie „Questioning my government is democratic“ oder „You dont have to agree with your government to be a patriot.“ sind Botschaften ans US-Publikum und legen zugleich den Keim fürs Folgende. Wir erfahren, ohne dass wir davon im Einzelnen eine wirklich genaue Vorstellung hätten, von FISA (foreign intelligence surveillance act), xkey score, epic shelter, der üblen Rolle der Firma Verizon, von SIGNET und Prism.

Wir erfahren, dass in den USA doppelt soviel emails überwacht werden, wie in Russland. Und was die amerikanischen Geheimdienste sonst so tun, und tun können – nicht wirklich überraschend, aber schön formuliert: „Of course we tapped the entire country. The idea was, that if Japan was no longer an alley – lights out. Same for Mexiko, Germany, Austria.“

Wir erfahren nichts Neues, aber visualisiert entfaltet es neue Kraft. Es wird eindeutiger: Sie können durch unsere Computer und unsere Smartphones in unser Leben gucken, uns kontrollieren.

Snowdens CIA-Vorgesetzte träumen vom Cyberwar – „terrorism is a short term threat.“ – und sagen ihren Untergebenen: „If there was no WWIII in the last 70 Years – why? Because we use our power generally in a good way. Most americans don’t want freedom. They want security. It’s a safe bargain. If there is another 9/11 it will be your fault.“

Seine Freundin, die er Online kennengelernt hat, gerade noch eine kleine unangepasste linke Studentin, macht nun auf Dame und trägt ein kleines Schwarzes und Haare hinten geknotet

Am Ende bedient dieser Film ein sehr altmodisches, und konservatives, vielleicht aber (einstweilen) doch nicht komplett falsches Frauenbild, nach dem Frauen mehrheitlich die geschickteren, geschmeidigeren, aber mit weitaus weniger Ehrgeiz ausgestatteten Menschenwesen sind, die mehr Ruhe wollen und weniger Stress. Im alltäglichen Gender-Trouble einer Partnerschaft ist es auch für Snowden immer das Gleiche: Er kommt nach Haus, und die Frau jammert, dass der Typ zuviel arbeitet, und ja eh nie Zeit hat.

Das hat sich dann ja geändert. Jetzt ist Snowden ein Held, der eher nie in die USA zurückkehrt, selbst wenn er begnadigt werden sollte – denn was heißt das schon wirklich in den USA? Wer könnte garantieren, dass er nicht doch in irgendeinem Loch verschwindet? Oder einen „Unfall“ hat? -, sondern wie ein 30 Jahre zu spät gekommener Veteran des Kalten Kriegs sein Gnadenbrot erhält. Ein lebendes Denkmal der Grenzen des Amerikanischen Traums. Er ist jetzt viel zu Hause, und seine Frau, die inzwischen auch in Moskau lebt, hat keinen Grund mehr zu klagen.

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„Snowden“ ist sattes Mainstream-Kino. Das erkennt man daran, dass er eine schwarze CIA-Agent, der im Film vorkommt, dann natürlich auch eine schwarze Freundin hat, so wie die Weißen eine weiße. Agentinnen hat die CIA offenbar sowieso nicht.

Man erkennt es auch daran, dass der Heldenstatus des Helden dadurch abgesichert werden muss, dass er nie als „intellektuell“, nie als Outsider, nie als irgendwie nicht „all american“ erscheinen darf. Er muss als Patriot und all-american beglaubigt werden, bevor er Held sein darf: Soldat, nur aus Verletzung ausgeschieden, und ein kleiner Spießer im Leben.

Ich habe den Film gern gesehen, er ist gut gemacht, und politisch ehrenwert. Engagiertes Hollywood. Aber es wird mir auf die Dauer nichts bleiben von diesem Film – kein hochästhetischer Exzess und Überschreitungslust wie in „Natural Born Killers“ oder „U-Turn“ oder „Any Given Sunday“, keine Gravitas, wie in „Nixon“, kein Sarkasmus wie in „Wall Street“ und auch keine Wut wie in „JFK“.

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Der echte Snowden kommt am Schluß zu Wort: „I lost that life. But I gained a new one. No need to worry about tomorrow.“

Es gelang ihm, zu bewirken, dass die bisherigen NSA-Programme gestoppt wurden, nicht aber Rechtgarantien fest zu verankern. Wir wissen, dass in den USA weder gewählte Volksvertreter noch die Medien wirklich die Macht haben, sondern Banken, Industrie und Militär. Wer weiß schon, welche Programme die inzwischen in die wege geleitet haben…

„He’s gonna die in Moscow“ sagt am Ende Ex-CIA-Direktor Michael Hayden.

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Am Abend des gleichen Tages saß ich auf der Terrasse meines Lieblingscafes, und konnte nicht anders als der überlauten Stimme jenes älteren Mannes am Nebentisch zuzuhören: Der war ein grauhaariger weißer Vollidiot, ein amerikanischer Wutbürger und ein weiteres Paradebeispiel jener rabiaten, unbekehrbaren Alten, die vor fünf Jahren noch grummelnd und still in ihren Ecken saßen, heute aber aus jeder Ecke der Welt große Worte schwingen: „Obama destroyed economic growth in the last three years … the states have become a place of crazy regulation.“ Der alte Ami saß neben einem Mann, den er offenbar nicht gut kannte, einem mindestens 30 Jahre jüngeren Europäer, der ihn offenbar nach den kommen Präsidentschaftswahlen gefragt hatte. Seine Antworten muss man unplugged wiedergeben, so wie ich sie spontan in einer Mischung aus Faszination und Ekel mitgeschrieben hatte: „Trump is an asshole. He is not a racist, just an impulsive arrogant asshole.

But Clinton is a liar. She will do nothing right. Look how Obama developed, he disapointed all. It is reality: If you are a pussycat, peope just eat your pussy and fuck you to death … no experience … reality is reality … the banks – if you fuck them like crazy. Bernie Sanders – his balls are bursting, but his brain…he nows as much of economy like a 20 year old, he is a stupid socialist who wants stupid labour regulations.

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„I love Portugiese 20th century poetry, but it does not help you beat the Chinese. We should have a strategy like the Germans, but today all our kids have to study lesbian poetry. They have no connection with the economy, they offer nothing to the economy, the professors have no idea what ecxonomy means, they are virgins, studying Baudelaire and all this shit. We basically became repeatedly destroyed by the Obama-administration, they attack the banks, especially they persecute the banks, i tell you, if the government is crazy: don’t take risks, don’t invest – this is exactely why the goldrate came down a third since 2008. Why is the interest rate zero – the government is so crazy, nobidy wants to take any risk.

We decided to globalize the economy. If government and business work together… thats why Clinton I was succesfull. 2008 was all about the collapse of housing. But regulation is crazy, it’s bringing demage to the US. If the US would grow, the rest of the world would grow. You cant fuck employers without fuckiung employees.

Now, whenever you do something, you have these lawyers around you, these guys are better educated than you and I, these guys went to the best schools.

Trump is crazy, he is not a Hitlers and all this crap, this redicoulus journalistic indulgence, but let there just be a little pressure on the islamic community to turn these idiots in. It is just a shame. Trump is so crazy that Hilary will win and then she will die in four years. Republicans are much more democratic as the democrats.“

Die hässliche, dumme, aber ehrliche Fratze Amerikas.

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Wie eine Ergänzung, eine Antwort und eine zugleich Relativierung zu Stones Film wirkte dann einer der späten Filme des Festivals: „American Pastorale„. Diese Verfilmung des Philip-Roth-Romans – „die schlimmste Roth-Verfilmung aller Zeiten, und das will was heißen“ nannte es ein Redakteur in Deutschland – ist formal bieder, aber fehlerfrei, komplett inhaltistisch motiviert. Sie stammt von Ewan McGregor, dem britischen Schauspieler („Trainspotting“, „Velvet Goldmine“, „Star Wars“), der mit inzwischen auch schon 45 Jahren zum ersten Mal Regie geführt hat. McGregor spielt auch die Hauptrolle in diesem traurigen Film, der getränkt ist in der Nostalgie für die verblassten Träume noch mehr als in der für die verblasste Jugend, die Farben der Erinnerung. Wieder ein Beispiel für den Historismus, der im Kino gerade grassiert, aber einmal mehr auch mit einem gewissen Sinn:

Die Geschichte kreist um eine fast idealtypische – allerdings jüdisch-katholische – Familie im Nordamerika der Fünfziger und Sechziger Jahre. Seymour Levov, ein Football-Held und Unternehmer, der mit einer Miss New Jersey verheiratet ist. „He was our hero, our Kennedy“ schwärmt der Ich-Erzähler. Sie sind liberal, offen gegenüber Schwarzen, und haben eine Tochter, die sie vergöttern. Diese Tochter, Merry, ist niedlich und hochintelligent. Sie hat nur einen Makel: Sie stottert.

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Kleine Ereignisse: Die Therapeutin weiß nicht recht ein Mittel, um die Tochter zu heilen. Im Fernsehen sieht Merry, wie sich ein Mönch in Vietnam selbst verbrennt. Unruhen, die von der Polizei unangemessen blutig niedergeschlagen werden. Und irgendwann, wie auf einer ganz sanft nach unten schiefen Ebene, entfremden sich Eltern und Tochter immer mehr, wird die stotternde Tochter auch ungerecht, kalt und böse den Eltern gegenüber. Sie radikalisiert sich, schließt sich einer Untergrundorganisation an, sprengt eine Tankstelle in die Luft, ist beteiligt an vier Tötungen. Es gab ja offenbar in den Sechziger, Siebziger Jahren solche Gruppen in den USA, die „den Krieg nach Hause“ brachten. Von 4330 Explosionen ist im Film die Rede, und man fragt sich wo die heute alle hin sind, wo es doch, möchte man meinen, nicht weniger Anlässe gäbe.

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Der Film sympathisiert mit dem Vater, seinem guten Willen und seiner Ohnmacht – gegenüber der Tochter, die unansprechbar wird, aber auch gegenüber dem Anti-Terror der Polizei. Wie die das Haus der Familie auseinandernehmen, ist Grund genug zum Widerstand.

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What a difference a day makes… Eine Entscheidung enthält ein ganzes Leben. Das zeigt dieser Film, dessen Thema der amerikanische Traum ist, und sein Verschwinden in einer Selbstzerstörung, die Anfang der Sechziger einsetzt, nicht erst mit 9/11.

Sein Thema ist der Hass und die Wut der 68er gegen ihre Eltern. Eine erstaunliche, heute kaum vorstellbare Härte, die eine ungerechte, überharte, ja faschistoide Komponente hat. Von deren Konsequenz und Mut aber heutige Generationen auch etwas lernen können (und sollten). Wollen Roth und McGregor dies verstehen? Sie sehen vor allem die Leiden der Elterngeneration.

McGregor aber fragt: Wo ist der Moment, in dem der Schalter umgelegt wird? Die Psychiaterin, die die Schuld am Stottern auf die Eltern schiebt? Der Mönch der sich verbrennt? Der Besuch bei den „falschen Freunden“ in New York? Gibt es diesen Moment überhaupt? Oder ist da eher eine schiefe Ebene?

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Der Film ist geschickt und klug darin, zu zeigen, was der Weg der Tochter in Untergrund und Terror mit Familien macht. Ein für mich erstaunlich guter, tiefer und ernster Film, gesättigt in Sentiment – nicht zu verwechseln mit Sentimentalität.

Der Erzähler fasst zusammen: „What Merry blew up that day was nothing less than his life. Just got them wrong. That’s how we know, we are alive: By beeing wrong.“

Rüdiger Suchsland

Die Verklärung des Gewöhnlichen

Zwei Filme aus Lateinamerika im Wettbewerb – San Sebastian-Tagebuch_2016_07

Maixabel ist blond, und sieht auch wegen ihrer hellen Haut eher wie eine Dänin aus. Sie ist aber baskische Spanierin, und sitzt hinter dem Schalter an dem man sich jeden Tag die Karten für Akkreditierte besorgen muss, und im Gegensatz zu ihrer Kollegin, nach deren Namen ich auch noch nicht gefragt habe, unterhalte ich mich mit ihr immer ein bisschen, über Filme, über die Stimmung, über Journalisten an und für sich und so weiter… Sie hat mir neulich auch „pastelloso“ beigebracht, das spanische Wort für kitschig, das es sehr gut trifft, weil es an einen süßen Kuchen erinnert.

Heute habe ich ihr erzählt, wie schön ich es hier finde, und dass ich jedes Mal beim Festival denke, dass ich gern einmal länger hierherkäme, mindestens mal eine Woche vor oder nach dem Festival da wäre. „Aber wenn Du dann herkommst, regnet es sicher.“ meinte sie dazu, „Aber das ist auch nicht schlimm. Wir sind dann ja auch da und sitzen alle in der Bar und finden es cool. So sind wir.“ Maixabel will mir tatsächlich weismachen, dass das Wetter hier immer schlecht sei. „Wir Basken sind keine richtigen Spanier, die sind braun und haben dunkle Haare – schau mich an.“ Und wo soll man hinziehen? Sie schlägt Sevilla vor: „Sevilla! Sevilla ist großartig. Andalusien ist super.“

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Im Wettbewerb derweil zwei Filme aus Lateinamerika: „Jesus“ aus Chile, von Fernando Guzzoni ist bereits im Vorfeld seltsam gehyped worden – was vermutlich auch damit zu tun hat, dass der Film satt mit Fördergeldern aus Frankreich, Deutschland und Griechenland (!?) ausgestattet ist.

Der Film erzählt von einem etwa zwanzigjährigen Taugenichts. Er trägt diverse Tatoos, Piercings und Ringe in den ausgestanzten Ohrläppchen, schaut sich Enthauptungen auf „mundonarco.com“ an, und belügt seinen Vater um von ihm Geld zu bekommen. Die ersten 40 Minuten schauen wir ihm im Prinzip dabei zu, wie er permanent mit schmutzigen Drogen und billigem Schaps zugedröhnt in der Gegend herumschlurft, lallt, sabbert und kotzt und im Delirium alles lustig findet. Vermutlich möchte der Filmemacher, dass man Jesus bemitleidet, dass man ihn mag oder anders Anteil nimmt. Mir geht es eher so, dass mich der Film schon deshalb schnell genervt hat, wer mich zwingt minutenlang Sachen zu sehen, die ich gar nicht sehen will, und unendlich viel Zeit mit einem Vollidioten zu verbringen, mit einem Typen, den ich, wenn er mich in einer Kneipe anquatschen und um Geld betteln würde, sofort wegschicken würde.

Irgendwann hat Jesus – neben einem Grab, drunter geht’s nicht in diesem wichtigtuerischen Film – Sex mit einem Mädchen, das am ganzen Körper tätowiert ist und gepiercte Brustwarzen hat. Später hat er dann Sex mit einem seiner Nichtsnutz-Freunde, und natürlich könnte man jetzt lange über Einsamkeit und Sehnsucht nach Wärme, nach Geborgenheit schwadronieren. Diese unklare sexuelle Orientierung, die bei einem Typ, der auch sonst ziemlich orientierungslos ist, wenn er nicht gerade seinen Vater belügt, nicht weiter überrascht, führte aber vor allem zu langen weitschweifigen Debatten bei der Pressekonferenz nach dem Film, weil es offenbar in der Machoregion Lateinamerika immer noch das größte Problem ist, wenn Jungs nicht auf Mädchen. was sie sonst tun, ist offenbar vergleichsweise ziemlich wurscht.

Das müsste nicht so sein, denn etwa in der Mitte des Films laufen diese armen geborgenheitbedürftigen Jungens, als sie mal wieder nachts vollgedröhnt durch den Park stolpern einem anderen Jugendlichen über den Weg, cder das Pech hat, allein zu sein. Nachdem sie ihn zu Brei geschlagen und getreten und bepisst haben, bringen sie ihn um. Das alles tritt der Regisseur minutenlang breit, malt es gewissermaßen genüsslich und explizit aus – was er natürlich m,it den Sexszenen nicht tut. Daran, an dem Unterschied zwischen der Darstellung von Sex- und Gewalt erkennt man diese Art von Arthouse-Exploitation.

Das war der Moment, wo die Zuschauer gruppenweise den Saal verließen. Ich blieb drin, aus Berichterstatterethos, und habe es schon in dem Augenblick bereut. Was folgt ist, dass der Vater als er begreift, was sein Sohn getan hat, diesen verrät. Daraus macht der Film dann eine große Affaire. Wie prätentiös das alles ist, zeugt der Titel den man jetzt erst versteht: „Vater, warum hast Du mich verlassen!“ Ohgottohgott.

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Was für ein Unterschied zu dem Blick auf die Jugend in Jacques Beckers „Rendez-vous en Juillet“. Die Verklärung des Gewöhnlichen, die Bestandsaufnahme des Hässlichen. Utopielosigkeit, und, ja, auch Lieblosigkeit.

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Der zweite Latino, „El Invierno“ vom Argentinier Emiliano Torres ist ein Schweigefilm und die argentinische Version eines Western: Alles spielt auf einer Ranch in Patagonien: Pferde und Schafe werden hier gehalten, die Landschaft ist toll anzusehen, und zum Leben schwer zu ertragen. Ein alter Mann wird von den Eignern gezwungen, seine Arbeit als Vorarbeiter dort aufzugeben. Ein junger Typ wird sein Nachfolger. Es gibt Spannungen und Konflikte, und zuerst sympathisiert der Film ganz mit dem Alten. Dann kommt der Winter… Ein schwieriges Leben, in Einsamkeit, der Kampf um die Vorherrschaft tritt zurück hinter den Ka,mpf gegen die Natur, ums Überleben. Beide müssen sich zusammenraufen. Aber dann stirbt der Alte. Der Junge beerdigt ihn. Am Ende aber hat nicht etwa er gesiegt, sondern das System. So versteckt sich hinter dem Thema des Generationenkonflikts und der Darstellung des Abschieds, des Abgesangs von einer Lebensform auch die Kapitalismuskritik. Trotz der Landschaftsbilder, und einer starken, intensiven Atmosphäre finde ich das alles so richtig gut aber auch nicht. Es ist nur eine andere, vielleicht wenigstens aufrichtigere Art, sich dem bürgerlichen Arthousepublikum anzubiedern.

Rüdiger Suchsland

Vor der Nouvelle Vague

Jazz und Gin und Urbanität: Erste Eindrücke von der Jacques-Becker-Retrospektive; San Sebastian-Tagebuch_2016_06

„Cigarettes americaines? No, i stick to the french.“

(aus: „Rendez-vous de Juillet“)

In San Sebastian gibt es noch Urbanität. Vermutlich wissen in Deutschland viele überhaupt nicht, was das Wort bedeutet. Es bedeutet nämlich nicht, dass es überall WiFi gibt, pro Quadratkilometer zwei Starbucks, und bezahlbare Mieten. So schön das alles auch ist.

Urbanität bedeutet Verhalten der Bürger. Sie bedeutet, dass auf der Concha, der einmaligen Bucht vor der Stadt mit ihrem breiten Sandstrand, die von einer etwa sechs bis zehn Meter über der Strandhöhe gelegenen, breiten Promenade eingerahmt wird, deren Eisen-Geländer wie vieles hier im Stil des 19. Jahrhunderts gehalten ist, dass auf dieser Concha tagtäglich die Leute spazieren. Normale Leute, altmodisch gekleidete alte Paare, die eingehakt flanieren, oder Teenager, Eltern mit Kindern, aber vor allem oft auch Freunde: Drei Männer, oder fünf Frauen. Seltener gemischt. Urbanität ist die Selbstverständlichkeit dieses Verhaltens, des Sich-Zeigens, des Rausgehens, die Selbstverständlichkeit, mit der der öffentliche Raum von den Bürgern eingenommen, in Anspruch genommen wird.

Niemals würde, wie in Deutschland üblich, ein Restaurantbesitzer hier den Bürgersteig mit Tischen zustellen. Denn da will man ja laufen. Niemals würden öffentliche Bänke wie in Deutschland schon so konstruiert, dass man einzeln sitzen muss oder sich nicht drauf legen kann. Denn wozu sind Bänke denn da, wenn nicht zum Zusammensitzen. Und wenn jemand sich da mal hinlegen möchte, dann soll er doch. So ist Spanien.

Überhaupt gibt es enorm viele öffentliche Bänke in San Sebastian.

Urbanität ist, dass das Leben draußen stattfindet, und zwar das Leben der ganzen Familie, drei vier Generationen nebeneinander. Es ist aber auch die Selbstverständlichkeit, mit der das Leben im Hier und Jetzt genossen wird. Man sieht hier, ob im Kino oder in Lokalen, alle Altersgruppen. Man sieht, wie viel und wie gern die Leute essen und trinken.

Zum Beispiel neulich, am Dienstagabend, als wir zu viert zum Abendessen in der „Bodega Donostiarra“ saßen, einem der besseren Lokale der Stadt, gleichzeitig bodenständig und in allem excellent. Gegen 20 Minuten vor Mitternacht, wir wollten gerade zahlen, kamen da sechs ältere Damen, keine unter 50, offensichtlich aus dem Kino setzten sich an einen Tisch, bestellten Bier und Wein und natürlich zu essen. Ganz normal halt. Das möchte ich trotzdem einmal in Deutschland erleben.

Urbanität ist übrigens auch das Verhalten der Bedienungen. Sie sind schnell, erklären, wen es dauert, behandeln alle gleich, jedenfalls wenn man sich halbwegs zivilisiert verhält. Wahrscheinlich könnte man Urbanität auch mit Zivilisiertheit übersetzen.

Ich mag natürlich auch einfach die Spanier sehr gern.

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Auch hier gibt es natürlich die Schattenseiten der Urbanität und schlechte Veränderungen. So klug das EU-Geld, das die Stadt als „Europäische Kulturhauptstadt 2016“ erhält, auch eingesetzt wurde, kaum für teure Prestigebauten und kurzatmige Renommee-Projekte, sondern für nachhaltige urbane Verbesserungen. Trotzdem gibt es auch hier leuchte Tendenzen zur Zerstörung der alten Stadtstruktur

Gesprächsstoff ist gerade die schöne alte, 1926 erbaute „Villa Kanimar“, die in der gleichen Straße lag, wie mein Hotel, und deren Abriß ich täglich auf meinem Fahrradweg zum Festival Schritt für Schritt mitverfolgen konnte. Gestern Abend war sie weg.

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Das heimliche Festivalzentrum in San Sebastian ist das „Café Artess“. Hier kommen sie alle vorbei, man kann sich grüßen, kurz reden, lange miteinander sitzen: Brigitte Suarez von Match Factory, Meinolf Zurhorst von ARTE, Titus Kreyenberg aus Köln – „mit meiner neuesten Coproduktion“ sagt er kinderwagenschiebend -, Bernhard Karl aus München, aber auch Nichtdeutsche: Pamela aus Paris, Pamela aus Chile, Martin aus Chile, Ariel aus Paris, Esin aus Istanbul, Geri aus Zürich, Produzenten und Funktionäre auch Uruguay oder Portugal, deren Namen ich jetzt dooferweise auch nicht mehr weiß.

Hier kann man dann sitzen und schreiben. Die Bedienungen lassen einen in Ruhe, fragen nach dem dritten Tag, ob erst Caffe con Leche, oder gleich Bier, und leeren regelmäßig den Aschenbecher.

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Freitag bis Sonntag, vor allem Samstag, herrscht hier schon nachmittags ein Heidenlärm. Die Leute lassen sich om Festival nicht stören, das ist die sehr angenehme Grundstimmung. Ein Straßenmusiker flötet schon seit zwei Stunden etwas immer gleich klingendes. Ob er dafür Geld bekommt? Auf dem Spielplatz gegenüber des Cafés tummeln sich etwa 30 Kinder verschiedensten Alters. Direkt neben mir an einem Tisch sitzen vier Mütter mit drei Töchtern, die jüngste ist höchstens vier. Aber es wirkt so – keine Brüder, keine Väter, die Mütter trinken Bier oder Spritzz, die Töchter Limo – als ob hier schon der zukünftige Bund geschmiedet wird, die Mädchen auf ihre Rolle als spanische Frau vorbereitet werden.

Rechts gegenüber liegt das San Telmo Museum, ein umgebautets altes Kloster mit Kreuzgang wie modernem Trakt, das für das Kulturhauptstadtjahr frisch renoviert wurde, und wo die Eröffnungsfeier stattfindet und auch zwei Kinos liegen. Vorhin kam kurz mal Richard Gere vorbei, da wurde es noch lauter.

Rechts neben dem Café liegt das Principe-Kino, das mit seinen zehn Sälen das Herz des Festivals bildet. Hier laufen alle Wiederholungen und sowieso die Retrospektiven.

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Nach San Sebastian komme ich immer auch, um hier viel aus den Retrospektiven anzugucken. Die historische Autorenretrospektive gilt in diesem Jahr dem Franzosen Jacques Becker. Becker (französisch ausgesprochen, also hinten lang) ist ein Geheimtip, irgendwie eine Legende, aber auch, soviel kann ich nach der ersten Handvoll Filme sagen, ein seltsamer Filmemacher, der nicht gut einzuordnen ist, und ein mit nur 15 Filmen kleines, disparates Werk hinterlassen hat. Becker begann in den Dreißiger Jahren als Assistent von Jean Renoir, bekannte sich zum Kommunismus, drehte eigene Filme für die Volksfront, drehte dann aber auch Filme unter der Besatzung und der Vichy-Regierung, dann im Nachkriegsparis wie er mit erst 54 Jahren gerade dann starb, als 1961 der Siegeszug der Nouvelle Vague begann. Um der anzugehören, wäre er sowieso zu alt geworden. Truffaut mochte ihn, Godard wohl weniger, obwohl der einen seiner Filme „Les Amants de Montaparnasse“, der aus meiner Sicht eher misslungen ist, außerordentlich gelobt hat.

Insgesamt ist Becker eine Zwischenfigur, „un artiste intermediaire“ wie irgendeiner geschrieben hat. Man hat den Eindruck, dass Becker permanent in seinen Filmen auf der Suche nach etwas ist, etwas, das er nie gefunden hat.

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Das allererste, was mir auffällt: In fast allen Filmen Beckers werden Frauen geschlagen, bekommen heftige Ohrfeigen, so heftig, dass es auch für die Zeit eher untypisch ist. Auch wenn Frauen nicht selten im Zentrum stehen, ist Becker ein ganz klarer, ziemlich altmodischer Macho.

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Der erste Film den ich sah, und der sich als einer der besten von Becker herausstellen sollte, war „Rendez-vous de Juillet“ von 1949. Zunächst einmal ein Beispiel dafür, wie eng Jacques Becker´der Familie seines Lehrmeisters Jean Renoir verbunden war. Denn die Kamera führte Claude Renoir einer der wichtigsten Kameramänner Frankreichs, verantwortlich für so gleichermaßen absurd unterschiedliche Filme wie „Une Partie a Campagne“ (1936) seines Onkels Jean Renoir, wie für Roger Vadims „Barbarella“ (1969). Vor allem aber: Beckers Schnittmeisterin in quasi allen seinen Filmen war Marguerite Renoir, Jean Renoirs Lebensgefährtin bis 1939.

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„Rendez-vous de Juillet“, in Deutschland mit dem idiotisch-passenden Titel „Jugend von heute“ versehen, ist in leichtem Komödienton gehaltenes, aber doch ernsthafter Ensemblefilm. Es dreht sich alles um Junge Leute, Jazz-Musiker, Schauspieler, und Forscher. Wie im Jazz gibt es zwar bestimmte Leitmotive und Leitstimmen, aber das Ensemble, die Beziehung zwischen den Charakteren bleibt das Entscheidende.

Ein ziemlich bezauberndes, leichtes, nie leichtgewichtiges Stück Avant-Nouvelle-Vague, das ganz den Zeitgeist des Existentialismus atmet, Idealismus und Melancholie, Engagement und Ennui verbindet.

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Eltern, Kinder, jung-sein 1949. Die erste Einstellung zeigt einen Schwenk über den Concorde, der in einen Innenraum mündet: Eine sehr bürgerliche Familie, „Papa est a table“ heißt es als die erwachsenen Kinder zu spät kommen. Solche Szenen der bürgerlichen Gesellschaft wird es immer wieder geben bei Becker. Der jüngste Sohn wird aus dem Zimmer geholt, um sich mit dem alles in allem liebenswert-nachsichtigen Patriarchen-Vater zu streiten, und den Essenstisch wieder zu verlassen. „Mein Schicksal liegt in der Ferne“, sagt er mit viel Ernst – Lucien ist Afrika-Fan, aber wir kehren nie wieder in diese Wohnung zurück. Es geht hier nicht um einen, sondern um fünf, fünf Jugendliche und andere und ihre Eltern und ihre Lehrer. Bemerkenswert ist die grundsätzliche Sympathie der Eltern und der Lehrer mit der Jugend, das Pathos des Jungseins.

Wir sehen Jazz im Club, Anthropologen im Musee de l’homme, Schauspoielschüler, die Sasha Guitry spielen, und denen der Lehrer sagt: „Quand on etait comedien, on est ar-ti-culé!“

Wir sehen aber auch ein Schwimmauto, das durch die Seine fährt – Ein Paris-Film ist dies auch -, und das damals noch viel sensationeller gewirkt haben muss, als heute, auf dem „Biki-ni“ geschrieben steht, und „Hallo – A l’eau“. Die Unbeschwertheit ist hier zentral.

Sie sind alle harmlos und gutwillig, keineswegs antibürgerlich, sondern im Grunde ernsthaft und angepasst. Anti-zynisch. Lucien, gespielt von dem erstaunlichen Daniel Gelin in seinem ersten von drei Becker-Filmen, plant eine Expedition zu Pygmäen. Andere junge Männer träumen davon, ihre Mutter zu entlasten, ihrem Vater zu gefallen. Die Girls haben Kettchen mit einem Kreuz um den Hals. Die zentrale von ihnen ist Schauspielerin, bescheiden, schüchtern, darum Sympathieträgerin und wird gespielt von Brigitte Auber, die später bei Hitchcock („To catch a thief“) die katzenhafte, Musidora-artige Juwelendiebin im Cat-Súit spielte. Die andere ist die seinerzeit erst 17-jährige vor auf den Tag genau drei Monaten verstorbene Nicole Courcel – eine junge schwache, nie ganz ehrliche Frau, der Daniel Gelin verfällt, was zu dem schönen Dialog führt: „If i’d really loved you, I would ask you to make love right now.“ – „Quoi?“ – „You will some day give your body to someone. But you will never give your heart. Because you dont have one.“

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Der Film mündet in eine Party, in einer Dachatelierwohnung. Es gibt viel Gin, due Frauen kochen, sehr selbstverständlich schmeißen die Jungs aus der Küche, obwohl es einer von ihnen ist, der das Rezept kennt. Zehn Jahre vor „Breakfast at Tiffany’s“ lohnt der Film schon als Alltagsstudie, wie die da leben, wie die Möbel, die Tapeten, wie die Frauen aussehen.

Kurz darauf hält Gelin eine Rede, die mehr ein Wutanfall ist, in der er allen seinen Freunden und Bekannten stellvertreend für den Regisseur den Spiegel vorhält: „You want to have little nice lives without a risk! Wacht auf! Eure Familien sind halbtot und sie wissen es. Es ist Zeit für uns, zu handeln!“

Was für schöne Zeiten, in denen man so noch reden konnte!!

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Toll, wie die dann auf der Party alle rumhängen. Wie sie, obwohl es Grund zu feiern gab, dann alle schlechte Laune haben und melancholisch werden.

Toll, weil dieser Film nie auf ein Gefühl zuläuft. Weil er den Zuschauern nichts auftischen will, aber vieles zeigen.

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Am Ende startet ein Flugzeug, ausgerechnet eine alte deutsche Maschine, eine Ju 52. Die Männer heben ab, fahren weg, die Frauen bleiben da, bleiben am Boden. Zwei Frauen: Die Strahlende (Auber) und die Depressive (Courcel).

Becker zeigt Menschen, die die Welt entdecken, die intensiv fühlen, er zeugt den Optimismus einer Epoche, sehr den Details zugewandt. Ein historischer Film, dessen Gefühle aktuell sind. Becker spricht von der Jugend seiner Zeit, dem Aufbruch. Und dies war kein imaginärer, behaupteter, idealisierter Aufbruch, wie bei Rene Clair, sondern ein echter.

Rüdiger Suchsland

Die sieben Leben einer Frau

Im Offenen: Lolitas, Katzen, Freiheitskämpfer – „Orphan“ von Arnaud Des Pallieres und „Lady Macbeth“ von William Oldroyd; San Sebastian-Tagebuch_2016_05

„Kiki – whats going on?“

(aus: „Orphan“)

Der Film geht einfach los. Bilder aus einem Frauenknast, wir sind sofort in einem Genre, glauben wir zumindest, und sehr unmittelbar in einem bestimmten Typ Film drin: Naturalismus, soziale Institutionen, eine bewegliche Kamera, die nahe an ihren Protagonisten dran ist, zugleich zurückhaltend beobachtend bleibt, schöne Menschen in hässlichen Verhältnissen, Dardennes! Gemma Aderton spielt Tara, die Frau aus dem Gefängnis, sie wird entlassen, wir sehen sie in einem Zug.

Dann wird, der Film ist gerade fünf Minuten alt, umgeschaltet an einen völlig anderen Ort: Ein Kindergarten. Adele Haenel spielt hier tatsächlich wie in einer unmittelbaren Fortsetzung des letzten Dardennes-Films „La Fille Inconnu“, in dem sie eine selbstlose Ärztin der Armen spielte, eine engagierte Schuldirektorin. Dann wird sie von Tara besucht, die für sie offensichtlich ein unangenehmer Besuch ist aus ihrer Vergangenheit. Tara will Geld, viel Geld – und bekommt es. Kurz darauf kommt die Polizei zu ihr nach Hause. Ob sie Karine Rosinsky sei? Sie nickt, wird verhaftet, in Handschellen abgeführt.

Wieder wechselt die Szene, nun steht ein junges Mädchen im Zentrum. Sasha, gespielt vom Pariser Shooting-Star Adele Exarchopoulos. Wir sehen, dass sie Arbeit sucht, wie sie einen älteren Mann trifft, Lev, der „ein Kind adoptieren“ will. Lev ist nett zu ihr, ein cooler Mann der sich cool in einer gefährlichen Welt bewegt. Er gibt ihr Arbeit in der Pferderennbahn, wo er als Profi-Wett-Anbieter und Geldverleiher viel Geld verdient. Sie verführt ihn – „When did you last fuck? Have you jerked off, thinking of me? How many times?“ -, da haben wir schon längst begriffen, dass diese junge Frau mit Lolita-Attitüden zwar scheu und verwundbar ist, aber stark, wenn es darum geht, instinktiv die Begierden und Schwachpunkte der Menschen zu erkennen. Die von Lev, aber auch die von Tara, die jetzt auch bei der Pferderennbahn arbeitet. Sascha sieht sofort, dass Tara, obwohl sie ein Baby hat, auf Frauen steht.

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Zunächst wirkt dieses episodische Wechselspiel zwischen drei Figuren, drei Orten rätselhaft, chaotisch und unzusammenhängend, doch schnell webt der französische Regisseur Arnaud Des Pallieres („Michael Kohlhaas“) diese losen Episoden und Schauplätze, zu denen später noch zwei weitere hinzu kommen, zu einem immer dichteren Netz.

In diesem dritten Schauplatz, dem faszinierend-fremden Milieu der Pferde-Wett-Szene und des riskanten Lebens am Rande der Legalität, des schnellen Geldes, der schnellen Schulden, des täglichen Exzeß‘, der Spieler, Bankiers und Geldtransporter, hält sich der Film erstmals länger auf. und doch bietet er vor allem Momentaufnahmen, deren Verbindung im Auge des Betrachters liegt, die er selbst zu leisten hat. Irgendwann wird Sasha, die Verführerin selbst zur Verführten, und dann geht alles sehr schnell: Eine Tote wird auf einer Bahre weggetragen, Tara wird verhaftet, Sasha nicht und zum ersten Mal entsteht eine Ahnung davon, was wir hier tatsächlich sehen.

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Wieder ein Wechsel, der vierte Schauplatz, die vierte Hauptfigur: „T’a quel age?“ – „Piss off asshole“, ein Nachtclub, die Kamera ruht ganz auf dem unschuldigen, hübschen Gesicht eines Mädchens, die vielleicht 13,14, vielleicht 15,16 ist. Karine hat eindeutig eine Macke, aber man versteht schnell auch warum: Der Vater schlägt sie will sie kontrollieren in derart manischer Weise, dass sie nur ausreißen kann. Mal schläft sie im Wald, mal bei Männern, die ihr selten Gutes wollen. Die Polizei hilft ihr gegen den Vater.

Die fünfte Szenerie ist ein Trailerpark nahe einem Schrottplatz im Sommer. Französischer White-Trash. Die etwa neunjährige Kiki spielt mit ihren Freunden Verstecken. Aber auch nach langem Suchen auf dem Schrottplatz, in der Halle zwischen Regalen und in alten Tiefkühltruhen kann sie die Freunde nicht finden. erst spät am Abend finden die Nachbarseltern sie: Tot.

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Es ist ziemlich hervorragend, wie es Arnaud Des Pallieres gelingt, seinen Film, lange im Offenen, Vagen zu halten, ohne dass es je diffus wird. Es ist der straighteste Film von De Paillieres, den ich kenne.

Die Zeitstruktur des Kinos und ihre impliziten Vorgaben führen uns zunächst an der Nase herum: Erst dann verstehen wir, dass es sich bei den vier Frauen und dem Mädchen Kiki vor allem um eine einzige handelt, bei den fünf Erzählschichten um fünf Phasen und entscheidende Augenblicke ihres Lebens, in denen sie von vier Darstellern verkörpert wird. Kiki und Sasha sind Karine, die auf der Pferderennbahn auf Tara traf, die sie zu einem Raubüberfall überredete, bei dem eine Geldbotin starb. Tara saß acht Jahre dafür ein, Karine hatte das Geld und baute sich damit ein neues Leben auf. Heraus schält sich so die Erzählung des Schicksals einer jungen Frau, die zum Opfer und zur Täterin wurde, und die nun von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Sie wird sich ihrer Schuld stellen.

„Orphan“ ist geprägt von seiner geschickten Erzählstruktur, die dem Zuschauer vieles erst mit der Zeit verrät – dies ist ohne Frage der stilistisch ambitionierteste und einer der besten Beiträge im bisherigen Wettbewerb der Filmfestspiele von San Sebastian.

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Der letzte Teil des Films zeigt, wie Karine aus der Untersuchungshaft entlassen wird, doch der Prozeß droht erst noch, wie ihr Lebensgefährte Darius versucht, die Hochschwangere außer Landes zu schaffen, um „neu anzufangen“. Doch kaum ist das Kind – in Rumänien – geboren, entschließt sich Karine zur Rückkehr nah Frankreich. Sie meldet sich an der nächsten Polizeistation und wird sich ihrer Vergangenheit stellen.

Offen, im besten Sinn vage bleibt hier aber die moralische Konsequenz: Denn was folgt? Sie lässt ihr neugeborenes Kind allein, so wie ihre Eltern sie allein ließen. Obwohl sie weiß, was das bedeutet. Obwohl sie weiß, dass ihre Abschiedsworte „Ich liebe Dich. Ich komme wieder“ von dem Baby nicht verstanden werden, und möglicherweise nie eingelöst werden. Und wer weiß schon, was Darius dem Kind erzählt, wo er mit ihm hingeht? Macht Karine nicht den gleichen Fehler, der an ihr getan wurde? Oder sie macht die Dinge richtig? Der Film vertraut am Ende den Institutionen. Die doch kein Vertrauen verdienen. Oder?

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Es dominiert immer ein Gefühl der Gefahr, der Unsicherheit, es ist das Lebensgefühl von Karine, die sich auf nichts verlassen kann. Wir sehen wie wichtig ihr Ordnung ist, das Aufräumen, und so ist „Ophan“ kein Film über Schuld und Sühne, kein Film über Männer und Frauen, sondern ein Thriller über Entscheidungssituationen, über die kleinen Momente, in denen alles im Leben anders wird, oder geworden wäre, hätten wir anders entschieden. Und es ist ein Film darüber, wie gefährlich das Leben für Frauen und kleine Mädchen ist, und wie schlecht es die Welt oft mit ihnen meint.

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„Film forever“ heißt das Motto im Logo des BFI.

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Das erste Bild zeigt ein junges Gesicht unter einem Schleier im Hochzeitskleid. Der Ausdruck ist freundlos aber entschlossen. Sie singt: „Lobet den Herren.“ Das zweite Bild zeigt, wie sie von einer schwarzen Dienerin entkleidet wird und dann ihr das Nachthemd angezogen wird. „Your’e cold?“ – „No“ – „Nervous?“ – „No“. Dieser erste Dialog macht sofort den Diskurs der Kälte auf, ihrer Kälte. Der Bräutigam tritt ein: Ob sie es bequem habe? Ob es ihr kalt sei? Sie solle nicht soviel rausgehen. Sie antwortet „I have a thick skin.“ Und: „I like the fresh air.“

Auch diese Katherine ist eine Frau mit Fehlern. Sie ist die Hauptfigur des hervorragenden britischen Films „Lady Macbeth“ von William Oldroyd. Angesiedelt wie Shakespeares Stück in den schottischen Highlands, allerdings Mitte des 19.Jahrhunderts, geht es um eine junge Frau (Florence Pugh), die in eine Zwangsehe gepresst wird.

Wie unsympathisch die Verhältnisse sind, daran lässt der Film keine Zweifel.

„Take it off. Your nightdress, take it off.“ sagt ihr Mann, dann „Face to wall!“, dann befriedigt er sich selbst.

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„Face to wall!“, „Stop smiling“ – als Katherine dann wochenlang allein ist, während der Mann die Güter inspiziert, sagt sie zu den Knechten genau die Sachen, die sie von ihrem Mann gehört hat. Sie geht auch viel raus, lässt ihre Haare offen vom Wind durchblasen, holt eine Katze zu sich ins Haus. Sie scheint autoritär, doch Sebastian, einer der Knechte, versteht die Zeichen der Worte und Blicke besser: „I am terribly bored, Mrs. Lester. Aren’t you bored, Katherine?“ Und dann beginnt eine Affaire.

Die bleibt nicht unverborgen, und da der Gatte weiter fern ist, statt ihr der Pfarrer einen Besuch ab: „Perhaps a little more solitude and relaxation could help.“ Die wirft ihn heraus.

Den Schwiegervater kann sie nicht herauswerfen, er ist der nächste Gast im Haus, während der Ehemann sich weiterhin nicht blicken lässt. Er versucht, ein brutales Strafregiment zu etablieren. Dazeigt der Film, wie die Großgrundbesitzer noch im 19. Jahrhundert ihre Leute wie Sklaven behandelten: Sie werden verprügelt und in Ketten gelegt: „You behave like an animal, so I will will treat you like one.“ Katherine reagiert mit gleicher Münze: Sie verabreicht dem Schwiegervater ein Pilzgericht. Und er stirbt. Es sieht wie ein Unfall aus. Nur die Katze sah zu und scheint zu wissen, was geschah.

Als der ungeliebte, sie vernachlässigende Ehemann irgendwann doch zurückkehrt, dauert es nur wenige Minuten, bis er ihr Vorhaltungen macht: „My father bought you along with a piece of land. The whole county heard about your shameful behaviour. I do not like beeing talked aobut, Madame. You will alter your behavior, Madame.“

Worauf sie ihn mit dem Schurhaken erschlägt. Dann verbuddeln Sebastian und sie ihn, erschießen sein Pferd und er scheint spurlos verschwunden.

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William Oldroyd zeigt einen Eskalationsprozeß. Er zeigt eine junge Frau, die zunächst nicht mehr will, als geliebt werden, die dann nicht bereit ist, zu einer Gefangenen archaischer Standesvorschriften und ihres Dienstpersonals zu werden. Und die für ihre Freiheit, dafür ein eigenes Leben zu haben, bereit ist über Leichen zu gehen.

Katherine ist eine Frau, die zur Täterin wird, weil sie ein Opfer ist – ein Opfer der Männergesellschaft und der Feudalgesellschaft. Der Oberklassemänner, der Feudalherren. Aber auch Sebastian, der Mann, der zum (Mit-)Täter wird, wird dies, weil er ein Opfer ist – ein Opfer der Klassengesellschaft.

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Für das dritte Opfer gibt es weniger gute Rechtfertigungsgründe: Denn ein Jahr nachdem Katherines Gatte verschwunden und für tot erklärt worden ist, taucht Teddy, ein vielleicht sechsjähriger Junge mit seiner Großmutter auf: „Teddy is the ward of your husband.“ sagt diese. Die beiden ziehen ein ins Herrenhaus, der Frühling kommt, doch als der Sommer vorbei ist, erstickt Katherine ihn mit dem Kissen. „It is done.“

Da bricht Sebastian zusammen, gesteht seine Verbrechen: „She is a desease.“ Aber natürlich schenken ihr, der Frau und der Angehörigen der Oberklasse, die Leute mehr Glauben, als dem Knecht. Die Oberklasse siegt.

Ein Interesse verdienender Nebenaspekt ist in diesem Film die Rolle der Farbigen: Denn Katherines Dienerin ist eine Schwarze, der Diener Sebastian hat „dunkles Blut“ und Teddy ist ist ein Mischling. Dies wird aber nie zum Thema und ich hätte gerne gewusst, wie exakt diese Schilderung ist: Waren im Großbritannien des 19. Jahrhunderts alle Rassen rechtlich gleich gestellt, gab es Rassismus? Und in welcher Form?

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„Lady Macbeth“ ist eine Adaption der Novelle „Lady Macbeth von Minsk“, die die Vorlage einer Shostakovich-Oper bildet. Faszinierend ist, wie es dem Film gelingt, dass man immer Verständnis und Anteilnahme für diese Person empfindet, obwohl Katherines Schuld hier evident ist.

Eine große stilistische Leistung eines erstaunlichen Debütfilms, der uns einmal mehr in die Welt von Jane Austen eintauchen lässt, aber endlich einmal die schwarze Seite aller Jane-Austen-Gefühlslagen zeigt.

Rüdiger Suchsland